Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Fiktion eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses nach § 15 Abs. 5 TzBfG. Anforderungen an eine nachträgliche Zulassung der Befristungskontrollklage

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 15 Abs. 5 TzBfG erfordert, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung bewusst und in der Bereitschaft fortsetzt, die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis weiter zu erfüllen. Der Arbeitnehmer muss danach die vertragsgemäßen Dienste nach Ablauf der Vertragslaufzeit tatsächlich ausführen. Eine Urlaubsgewährung bzw. eine Urlaubnahme genügt dazu nicht.

2. Für den Verhinderungsfall einer rechtzeitigen Erhebung der Befristungskontrollklage gem. § 17 TzBfG gelten die Grundsätze des § 5 KSchG für die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage. Der Arbeitnehmer muss trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert sein, rechtzeitig Klage zu erheben. Ihm darf noch nicht einmal leichte Fahrlässigkeit vorwerfbar sein.

 

Normenkette

TzBfG § 15 Abs. 5, § 17; BGB § 625; KSchG §§ 5, 7

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 11.05.2021; Aktenzeichen 9 Ca 521/20)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 09.02.2023; Aktenzeichen 7 AZR 266/22)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11. Mai 2021, Az. 9 Ca 521/20, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird für den Kläger beschränkt auf seinen Antrag zu 1. zugelassen, im Übrigen wird sie nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen und um Zahlungsansprüche hieraus.

Der Kläger steht seit dem 1. März 1987 in einem Beamtenverhältnis bei der Beklagten. Seit dem 1. Juli 1999 ist er als Beamter beurlaubt und wurde aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge mit unterschiedlichen Aufgaben in einem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten beschäftigt. Die Befristungen der Arbeitsverhältnisse und die Beurlaubung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis erfolgten jeweils für dieselbe Dauer. Die Vergütung für die im Rahmen der Anstellungsverträge ausgeübten Tätigkeiten erfolgte seit dem 1. August 2007 außertariflich.

Zuletzt war der Kläger auf der Grundlage eines am 17. April 2019 geschlossenen Arbeitsvertrags (Anlage K1, Blatt 9 ff. der Akten) nebst Änderungsvertrag vom 22. April 2020 (Anlage K3, Blatt 23 f. der Akten) in der Zeit vom 1. August 2019 bis zum 30. September 2020 zu einem monatlichen Durchschnittsentgelt in Höhe von 9.078,33 EUR brutto im Projekt "Kulturelle Transformation" beschäftigt. Im Arbeitsvertrag heißt es u.a.:

§ 1

Aufgabenbereich und Stellung

(1) Die Gesellschaft überträgt ... die Aufgabe AT Senior Experte/Referent (nltd.) 8000-1 in Hamburg.

...

§ 2

Vertragsbeginn und -dauer

(1) Dieser Vertrag wird mit Wirkung vom 01.08.2019 befristet bis zum 30.04.2020 geschlossen. Mit Wirkung vom 01.08.2019 wird ... für diesen Zeitraum aus dem Beamtenverhältnis gemäß § 4 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 ...Gesetz beurlaubt.

...

(2) Die Gesellschaft verpflichtet sich, ... sechs Monate vor Ablauf der Vertragszeit mitzuteilen, ob sie eine Verlängerung des Vertrages beabsichtigt.

Dem Kläger war im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt. Mit E-Mail vom 30. September 2020 (Anlage K12, Blatt 147 der Akten) wandte sich Herr A., Mitarbeiter der Beklagten, an den Kläger unter dem Betreff "Mobiles Arbeiten; Versteuerung geldwerter Vorteil Firmenwagen". In diesem Schreiben heißt es u.a.:

... heute endet Ihre Abordnung ... Ich hatte die Versteuerung des geldwerten Vorteils Firmenwagen für die Strecke Wohnung - erste Arbeitsstätte für den Zeitraum 01.06.20 - 30.09.20 einstellen lassen, da Sie ... im Homeoffice gearbeitet haben. Ab dem 01.10.20 würden wieder 6 km zur Versteuerung gelten. Wenn dies nicht korrekt ist, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit Ihrer Stamm-Personalabteilung im GB Vertrieb auf.

Der Kläger erhielt in den Jahren 2019 und 2020 insgesamt drei Auszeichnungen für seine Tätigkeit.

Am 9. September 2020 gewährte die Beklagte dem Kläger Erholungsurlaub für die Zeit vom 1. bis zum 3. Oktober 2020, vom 5. bis zum 9. Oktober 2020, vom 12. bis zum 16. Oktober 2020, vom 19. bis zum 23. Oktober 2020 sowie vom 26. bis zum 31. Oktober 2020 (vgl. Anlage K6, Blatt 29 der Akten).

Mit E-Mail vom 16. September 2020 (Anlage B3, Blatt 95 der Akten) informierte der Kläger seinen innerhalb des laufenden Projekts fachlich zuständigen Vorgesetzten bei der Zentrale, Herrn C., über eine laufende Bewerbung für die NL Vertrieb N.. Darin heißt es u.a.:

D. hat übrigens einen "Rückzieher" gemacht. Es wird keinen Projektposten für mich im RGB Nord geben. E. (NLL K.) hat mich gestern Abend informiert. Die NLL K. und H. wollen zwar noch mal einen Anlauf unternehmen. Da wird aber nach meiner Einschätzung auch nichts bei rauskommen. Also das Thema Change Management hat sich Ende September für mich erledigt.

Anlässlich der Beendigung des Projekts fand am 24. September 202...

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