Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei der Betriebsrentenanpassung aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung mit Anpassungsvorbehalt. Zahlungsklage auf wiederkehrende Leistungen bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zu den finanziellen Gründen ihrer Anpassungsentscheidung und Missachtung der Verteilungsgrundsätze

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sieht eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung vor, dass die dort geregelte Gesamtversorgung entsprechend der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung steigen soll, und ist gleichzeitig zugunsten der Arbeitgeberin ein Anpassungsvorbehalt vorgesehen, wonach etwas anderes beschlossen werden darf, sofern die grundsätzlich vorgesehene Steigerung "für nicht vertretbar" gehalten wird, so erfordert das Gebrauchmachen dieses Anpassungsvorbehalts das Vorliegen hinreichender wirtschaftlicher Gründe.

2. Ist nach der Gesamtbetriebsvereinbarung die Erhöhung der Gesamtversorgungsbezüge geregelt, so verstößt die Entscheidung der Arbeitgeberin, nur einen Bestandteil der Gesamtversorgungsbezüge zu erhöhen, gegen die Verteilungsgrundsätze der Gesamtbetriebsvereinbarung und ist damit unwirksam. Gleichzeitig verstößt die Arbeitgeberin gegen das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, da sich das Mitbestimmungsrecht in Bezug auf die Verteilungsgrundsätze auch auf ausgeschiedene Mitarbeiter erstreckt.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10; BetrAVG § 16; BetrVG § 77 Abs. 4 S. 1; BGB § 315; ZPO § 258

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 29.03.2017; Aktenzeichen 3 Ca 6/17)

 

Tenor

Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 29. März 2017 (3 Ca 6/17) teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger beginnend mit dem 1. Juli 2017 über den Betrag von € 585,22 brutto hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag in Höhe von € 24,84 brutto zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 292,56 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins auf einen Betrag in Höhe von € 24,38 seit dem 02.07.2016, auf € 24,38 seit dem 02.08.2016, auf € 24,38 seit dem 02.09.2016, auf € 24,38 seit dem 02.10.2016, auf € 24,38 seit dem 02.11.2016, auf € 24,38 seit dem 02.12.2016, auf € 24,38 seit dem 02.01.2017, auf € 24,38 seit dem 02.02.2017, auf € 24,38 seit dem 02.03.2017, auf € 24,38 seit dem 02.04.2017, auf € 24,38 seit dem 02.05.2017, auf € 24,38 seit dem 02.06.2017 zu zahlen.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch auf höhere Rentenanpassung zum 1. Juli 2016 sowie zum 1. Juli 2017, nachdem sie bereits in einem Vorverfahren zum Aktenzeichen 7 Sa 16/17 um eine Rentenanpassung zum 1. Juli 2015 gestritten haben.

Die Beklagte ist ein Lebensversicherungsunternehmen, das in den deutschen A.-Konzern eingebunden ist.

Die klagende Partei war bei einem Unternehmen des B.-Konzerns tätig, dessen Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Sie bezieht seit dem 1. Januar 2008 betriebliche Versorgungsleistungen.

Die B. errichtete in den 60iger Jahren eine betriebliche Altersversorgung, die als "Betriebliches Versorgungswerk" (kurz: BVW) bezeichnet wird.

Unter dem 8. Juli 1987 schlossen der Gesamtbetriebsrat und die B. D. L. AG die Betriebsvereinbarung "Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes" (Anl. B 2, Bl. 106 ff d.A., i.d.F. vom 19.04.2002). Diese Betriebsvereinbarung gliedert sich in Grundbestimmungen, Ausführungsbestimmungen und Übergangsbestimmungen.

Die als Gesamtversorgungsbezüge bezeichnete Leistung (vgl. §§ 4 und 5 der Ausführungsbestimmungen, im Folgenden: AusfBest BVW) ergibt sich daraus, dass zunächst ein bestimmtes Versorgungsniveau ermittelt wird (vgl. hierzu § 4 der AusfBest BVW). Sodann wird unter Berücksichtigung der in § 5 der Ausführungsbestimmungen genannten Leistungen (im Wesentlichen gesetzliche Rentenleistungen und Rentenleistungen einer konzerneigenen Versorgungskasse) bestimmt, ob das Versorgungsniveau erreicht wird. Ergibt sich eine Differenz, wird diese mittels der Betriebsrente, auch als Pensionsergänzungsrente bezeichnet, ausgeglichen (vgl. § 5 AusfBest BVW). Auf den Abrechnungen werden die Leistungen der konzerneigenen Versorgungskasse als "V1-Altersrente" und die Pensionsergänzungsrente als "V2-Rente" bezeichnet.

Bis zum 30. Juni 2016 erhielt die klagende Partei, die aus dem Betrieblichen Versorgungswerk unstreitig anspruchsberechtigt ist, monatlich eine V1-Altersrente in Höhe von € 506,91 und eine V2-Rente in Höhe von € 55,85 (vgl. Anl. K 3, Bl. 7 d.A.).

Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge ist in § 6 der AusfBest BVW wie folgt geregelt:

"§ 6 Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse

1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der R...

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