Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf einer Unterstützungskassenzusage. Verringerung des Eigenkapitals durch ungedeckte Versorgungskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Unterstützungskassenzusage seitens einer Gewerkschaft an ihren hauptamtlichen Sekretär kann nach dem vom Dritten Senat des BAG entwickelten dreiteiligen Prüfungsschema widerrufen werden.
2. Triftige Widerrufsgründe liegen stets vor, wenn bei stagnierendem Beitragsaufkommen und sinkender Mitgliederzahl aus Gründen der Kostenersparnis in nicht unerheblichem Umfang Personal abgebaut wird und Geschäftsstellen geschlossen werden bzw. durch Zusammenlegung von zwei Geschäftsstellen eine von beiden in eine sog. Außenstelle umgewandelt wird.
3. Die auf diese Weise erzielte Kostenreduzierung hat im Falle einer Gewerkschaft nichts mit Rationalisierungsentscheidungen eines gewinnorientierten Wirtschaftsunternehmen zu tun. Sie stellt auch nicht lediglich eine Substanzgefährdung, sondern entsprechend der verfassungs- und satzungsmäßigen Aufgabe einer Gewerkschaft bereits einen Substanzverlust dar.
4. Obwohl eine Gewerkschaft nicht den handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften unterliegt, kann sie ihre handelsbilanzielle Situation zum Nachweis einer Substanzgefährdung heranziehen. Trotz nicht bestehender Passivierungspflicht spiegelt sich die gesamtwirtschaftliche Situation einer Gewerkschaft auch in den ungedeckten Pensionsverpflichtungen wider, weil auch nicht bilanzierte Versorgungslasten das Eigenkapital verringern.
5. Der durch eine Unterstützungskassenzusage berechtigte Gewerkschaftsekretär kann unter Berufung auf Treu und Glauben die Organisation am bisherigen Kapitaldeckungsverfahren und an der damit verbundenen bisherigen Liquiditätsbetrachtung nicht festhalten.
6. Die Gründung der Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) im Jahre 2001 kann keinen Einfluß auf die bereits in 1997 angestellten Prognoseentscheidungen haben.
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 08.09.2000; Aktenzeichen 3 Ca 194/99) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 8. September 2000 – 3 Ca 194/99 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Gewerkschaft durch Widerruf in die betriebliche Altersversorgung des Klägers rechtswirksam eingegriffen hat.
Beklagte ist bisher die Gewerkschaft … gewesen, nunmehr ist es die … die seit Juli 2001 in das zuständige Vereinsregister eingetragen ist.
Der 1949 geborene Kläger ist – unter Berücksichtigung seiner Dienstzeit bei der Bundesschule des Deutschen Gewerkschaftsbunds in Springe – seit dem 1. Oktober 1976 bei der HBV beschäftigt, seit Gründung der jetzigen Beklagten in unveränderter Position. Er bekleidet im Bezirk Nordmark als hauptamtlicher Sekretär die Position eines stellvertretenden Landesleiters und ist als solcher Mitglied des Hauptvorstands der Beklagten.
Die Einstellung des Klägers erfolgte seinerzeit auf der Grundlage der „Allgemeinen Anstellungsbedingungen für die Beschäftigten der Gewerkschaft HBV”. Er ist Begünstigter der Unterstützungskasse des DGB e.V. Im Arbeitsvertrag vom 1. Januar 1979 (Bl. 69–70) heißt es zur betrieblichen Altersversorgung:
„Die Mitgliedschaft in der Unterstützungskasse des DGB e.V. richtet sich nach der Satzung und den Richtlinien der Unterstützungskasse des Deutschen Gewerkschaftsbundes e.V. Die Zugehörigkeit zur Unterstützungskasse gilt ab 1.7.1978.”
Die Richtlinien der Unterstützungskasse des DGB e.V. sind mehrfach geändert worden. Zuletzt galten die Unterstützungs-Richtlinien 1988/92. Bei den UR 88 (Bl. 8–24) handelt es sich um ein Gesamtversorgungssystem mit einer Gesamtversorgungsobergrenze von ursprünglich 75 %, seit 1988 von 70 %. Die Finanzierung erfolgt über ein Kapitaldeckungsverfahren, wonach für die laufenden Versorgungsleistung das Kapital zur Verfügung gestellt wird, die Anwartschaften aber ungedeckt sind. Unter dem 6. Juni 1995 hat die Unterstützungskasse des DGB, zu deren Trägerunternehmen die Gewerkschaft HBV gehört hat, in Abkehr vom bisherigen sog. Umlagesystem (Finanzierung der laufenden Betriebsrenten aus den aktuellen Einnahmen der Kassenmitglieder) eine Neuregelung der Versorgung in Form der Versorgungsordnung 1995 (VO 1995 – Bl. 25–55) beschlossen. Danach wendet das Mitglied der Unterstützungskasse dieser für jeden Begünstigten monatlich einen Betrag zu, der zur vollständigen Vorausfinanzierung der Anwartschaft über einen Rückversicherer verwendet wird. Mit Wirkung ab 1. Januar 1997 ist die betriebliche Altersversorgung für alle neu eingestellten Arbeitnehmer der Gewerkschaft HBV geschlossen worden.
Mit Schreiben vom 4. Dezember 1997 hat die Gewerkschaft HBV gegenüber dem Kläger die bisherige Versorgungszusage mit der Folge widerrufen, daß der zeitanteilig erdiente Betrag in Höhe von DM 1.446,07 dem Kläger erhalten bleibt und daß per Stichtag 1. Januar 199...