Entscheidungsstichwort (Thema)
Formularmäßige Vereinbarung einer umfassenden Ausschlussfrist von drei Monaten für alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung von Ansprüchen des Arbeitnehmers nach Ablauf der Frist. Berücksichtigung von Zuzahlungen für Medikamente bei der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens im Rahmen der Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
1. Die in einem Formulararbeitsvertrag als Allgemeine Geschäftsbedingung enthaltene Ausschlussfrist von drei Monaten für alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, steht der Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Abs. 1 ZPO für Ansprüche des Arbeitnehmers, welche nicht rechtzeitig im Sinne dieser Regelung geltend gemacht wurden, nicht entgegen. An der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Wirksamkeit dieser Klausel bestehen weiterhin Bedenken, die eine Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren erfordern, für das der Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, im Wege der Prozesskostenhilfe zugänglich zu machen ist.
2. Ausschlussfristen für alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, erfassen bei Anwendung der für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen maßgeblichen Grundsätze sämtliche Ansprüche wegen vorsätzlicher und fahrlässiger Schädigung.
a) Sie verstoßen damit gegen § 202 Abs. 1 BGB und sind deswegen gemäß § 134, § 306 BGB insgesamt unwirksam, weil § 139 BGB keine Anwendung findet (vgl. LAG Hamm, 11. Oktober 2011, 14 Sa 543/11, Rn. 229 ff., [...] = NZA-RR 2011, 75 (Leitsatz)).
b) Zudem stellen sie eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dar, denn sie weichen von wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechtes, wie sie in § 202 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommen, in nicht zu vereinbarender Weise ab (vgl. LAG Hamm, 11. Oktober 2011, a. a. O., Rn. 264 ff.).
c) Außerdem liegt im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, 15. November 2006, VIII ZR 3/06, Rn. 19 ff., NJW 2007, 674; 26. Februar 2009, Xa ZR 141/07, Rn. 17 ff., NJW 2009, 1486) ein Verstoß gegen § 309 Nr. 7 BGB vor, denn umfassend formulierte Ausschlussfristen stellen eine Haftungsbegrenzung für alle in dieser Vorschrift genannten Schadensersatzansprüche dar (vgl. LAG Hamm, 11. Oktober 2011, a. a. O., Rn. 277 ff.; 25. September 2012, 14 Sa 280/12, Rn. 116 ff., [...]). Sie sind nach dem Willen des Gesetzgebers an dieser Vorschrift zu messen (BT-Drucks. 14/6040, 156, 159).
d) Eine umfassend formulierte Ausschlussfrist verstößt schließlich ohne die ausdrückliche Herausnahme der in § 202 Abs. 1 BGB und § 309 Nr. 7 BGB genannten Ansprüche gegenTransparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. LAG Hamm, 11. Oktober 2011, a. a. O., Rn. 270 ff., 290; 25. September 2012, a. a. O., Rn. 162 ff.).
3. Soweit krankheitsbedingte Aufwendungen nicht anderweitig erstattet werden, sind diese als besondere Belastungen Im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO zu berücksichtigen. Hierzu zählen regelmäßig anfallende Zuzahlungen für Medikamente.
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 1 S. 3; BGB § 202 Abs. 1, §§ 307, 309 Nr. 7; ZPO § 114 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Minden (Entscheidung vom 07.05.2014; Aktenzeichen 2 Ca 174/14) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird unter ihrer Zurückweisung im Übrigen der Beschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 7. Mai 2014 (2 Ca 174/14) abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Dem Kläger wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe für den Antrag zu 1) aus der Klageschrift vom 11. Februar 2014 sowie für die Klageerweiterungen vom 7. April 2014 und 30. April 2014 mit Wirkung vom 13. Februar 2014 bewilligt. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Zur Wahrnehmung der Rechte in diesem Rechtszug wird dem Kläger Rechtsanwalt Finkemeyer aus Minden beigeordnet.
Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt mit der Maßgabe, dass der Kläger aus seinem Einkommen monatliche Raten von 44,00 € zu zahlen hat. Der Beginn der Ratenzahlung wird gesondert festgesetzt.
Eine Beschwerdegebühr wird nicht erhoben.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist überwiegend begründet. Für den vom Kläger neben den weitergehenden Zahlungsansprüchen ab August 2013 für die Monate Dezember 2012 bis Juli 2013 geltend gemachten Nachzahlungsanspruch besteht eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Abs. 1 ZPO. Dies ist dagegen nicht für den Antrag zu 2) aus der Klageschrift auf Erteilung einer Abrechnung der Fall. Die vom Arbeitsgericht auf 61,00 € festgesetzte monatliche Rate war zudem herabzusetzen.
1. Gemäß § 114 Abs. 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die...