Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsschutzantrag gemäß § 4 Satz 1 KSchG. Fortbestandsantrag gemäß § 256 Abs. 1 ZPO
Leitsatz (amtlich)
Für den Antrag auf Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses, der ergänzend zum Kündigungsschutzantrag gemäß § 4 Satz 1 KSchG gestellt wird, fällt ein besonderer Streitwert nicht an (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
GKG § 1 Abs. 3, § 12 Abs. 1 S. 1; ArbGG § 12 Abs. 7 S. 1; ZPO §§ 5, 260
Verfahrensgang
ArbG Detmold (Beschluss vom 18.06.2002; Aktenzeichen 3 Ca 29/02) |
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 18.06.2002 – 3 Ca 29/02 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I
Die Klägerin war seit dem 01.08.1980 bei der Beklagten beschäftigt und erhielt zuletzt ein Gehalt in Höhe von EUR 1.300,00. Mit Schreiben vom 18.12.2001 sprach die Beklagte der Klägerin eine ordentliche Kündigung aus. Die Klägerin setzte sich hiergegen mit Klageschrift, welche am 08.01.2002 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, zur Wehr und kündigte folgende Anträge an:
- Festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 18.12.2001 nicht beendet worden ist, sondern fortbesteht,
- festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis auch durch weitere Kündigungen der Beklagten nicht aufgelöst wird, sondern fortbesteht.
Zur Begründung des Antrags zu 2) trug die Klägerin vor, mit ihm solle etwaigen anderweitigen Kündigungen der Beklagten entgegengetreten werden.
Der Rechtsstreit endete durch Vergleich. Mit Schriftsatz vom 02.04.2002 beantragten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Festsetzung des Streitwerts. Mit Beschluss vom 18.06.2002 hat das Arbeitsgericht den Streitwert für das Verfahren auf EUR 3.900,00 festgesetzt. Gegen die am 29.07.2002 zugestellte Entscheidung haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin am selben Tag
Beschwerde
eingelegt. Sie tragen unter Bezugnahme auf den Beschluss der Kammer vom 06.02.2002 – 9 Ta 9/02 – vor:
Bei der Bildung des Streitwerts für das Verfahren im Allgemeinen sei der selbständige Feststellungsantrag zu berücksichtigen. Es handele sich bei der Verbindung von Kündigungsschutzantrag und selbständigem Feststellungsantrag um eine objektive Klagehäufung gemäß § 260 ZPO.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Rechtsmittel dem Beschwerdegericht vorgelegt. Das Arbeitsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass tatsächlich mit weiteren Beendigungstatbeständen zu rechnen gewesen sei, und damit deutlich gemacht, dass sie eine Streitgegenstandserweiterung über den Klageantrag gemäß § 4 Satz 1 KSchG hinaus nicht beabsichtigt hätte.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Prozessakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Der allgemeine Feststellungsantrag gemäß § 256 Abs. 1 ZPO, der ergänzend zum Kündigungsschutzantrag gemäß § 4 Satz 1, § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG gestellt wird, ist, wie schon das Arbeitsgericht zutreffend entschieden hat, bei der Ermittlung des Gesamtstreitwerts beider Anträge (§ 1 Abs. 3, § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 12 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 260, § 5 ZPO) nicht zu berücksichtigen. Die abweichende Rechtsprechung der früher zuständigen 8. Kammer und nachfolgend der beschließenden 9. Kammer wird nicht aufrechterhalten.
1. Die Nichtberücksichtigung des allgemeinen Feststellungsantrags lässt sich allerdings nicht mit der Ansicht des Arbeitsgerichts begründen, mit diesem Antrag sei in Wahrheit, solange die klagende Partei nur auf die Unwirksamkeit der angegriffenen Kündigung eingehe und nicht substantiiert vortrage, dass tatsächlich mit weiteren Beendigungstatbeständen zu rechnen sei, eine Klageerweiterung nicht beabsichtigt; ebenso wenig kann des Weiteren der in Rechtsprechung und Literatur vielfach vertretenen Meinung gefolgt werden, dem Antrag komme ein eigener Wert nicht zu, weil er mit dem Kündigungsschutzantrag nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten identisch sei (vgl.: LAG Bremen, Beschluss v. 29.03.2000 – 4 Ta 15/00 – JurBüro 2000, 418; LAG Hessen, Beschluss v. 21.09.1999 – 15/6 Ta 630/98 – LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 116; LAG Köln, Beschluss v. 07.07.1998 – 4 Ta 207/98 – LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 115; LAG Thüringen, Beschluss v. 03.06.1996 – 8 Ta 76/96 – LAGE § 12 ArbGG Streitwert Nr. 106; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Aufl., § 12 Rn. 103 a; KR-Friedrich, 6. Aufl., § 4 KSchG Rn. 279 [m.w.N.]; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Aufl., S. 790 Rn. 2070; ErfK/Schaub, 2. Aufl., § 12 ArbGG Rn. 17; a.A.: GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rn. 158; Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, Stand: August 2002, § 4 Rn. 164).
Es steht außer Zweifel, dass die Klägerin ihr prozessuales Begehren gerade nicht auf den Kündigungsschutzantrag beschränken wollte. Sie hat einen besonderen, nicht bloß floskelhaften Antrag gestell...