Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfebewilligung bei hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung. Verfassungsrechtliche Vorgaben bei der Prüfung der Erfolgsaussichten im Verfahren zur Prozesskostenhilfebewilligung. Fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis bei Erklärung der Rücknahme der Kündigung durch den Arbeitgeber. Keine Prozesskostenhilfe bei Mutwilligkeit der Klage. Mutwilligkeit einer Klage auf Zeugniserteilung bei fehlender vorheriger außergerichtlicher Geltendmachung
Leitsatz (amtlich)
Das Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung einer Kündigungsschutzklage entfällt nicht durch eine erklärte “Rücknahme der Kündigung„ durch den Arbeitgeber. Prozesskostenhilfe kann nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit versagt werden.
Eine Klage auf Erteilung eines qualifizierten Zwischen- oder Endzeugnisses i.S.d. § 109 Abs. 1 S. 3 GewO ist dann regelmäßig mutwillig, wenn dessen Erteilung vor Klageerhebung nicht außergerichtlich geltend gemacht wurde.
Normenkette
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 256; KSchG §§ 4, 7; GewO § 109; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; KSchG §§ 9-10
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 09.04.2019; Aktenzeichen 1 Ca 371/19) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 08.05.2019 gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 09.04.2019 wird dieser aufgehoben.
Die Sache wird zur Neubescheidung des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Beschwerdekammer durch das Arbeitsgericht an das Arbeitsgericht Bielefeld zurückverwiesen.
Die Zurückverweisung folgt aus § 572 Abs. 3 ZPO. Das Arbeitsgericht wird auch die bislang nicht erfolgte Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nunmehr vorzunehmen haben.
Gründe
I. Der Kläger hatte am 18.02.2019 eine Kündigungsschutzklage wegen einer ausgesprochenen ordentlichen Kündigung eingereicht. Für das Arbeitsverhältnis, welches seit dem 01.09.2011 bestand, lagen die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes vor. Mit der Klage beantragte der Kläger, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristgerechte Kündigung nicht aufgelöst wurde, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst wurde, sondern fortbesteht, sowie die Erteilung eines Zwischenzeugnisses, welches sich auf Führung und Leistung erstreckt. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag 1), die Erteilung eines Endzeugnisses. Mit der Klage bat er, noch keinen Gütetermin anzuberaumen, da mit der Beklagten Vergleichsgespräche geführt werden sollten. Gütetermin wurde anberaumt auf den 26.03.2019 und auf Antrag des Klägervertreters verlegt auf den 09.04.2019.
Mit Schreiben vom 21.02.2019 nahm die Beklagte die Kündigung vom 31.01.2019 “zurück„ und forderte den Kläger auf, nach Ende der Erkrankung wieder die Arbeit aufzunehmen.
Auf Nachfrage erklärte der Kläger, die Klage nicht zurückzunehmen. Im Gütetermin am 09.04.2019 konnte keine Einigung erzielt werden. Mit Beschluss von diesem Tag lehnte das Arbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe allein wegen fehlender Erfolgsaussicht ab.
In der schriftlichen Begründung führte es hierzu aus, dass der Kläger zu dem Zeitpunkt, als eine ordnungsgemäß ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt worden sei, bereits kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für die Durchführung der Klage gehabt habe, da er das Angebot der Beklagten auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, welches in der Kündigungsrücknahme zu sehen sei, nicht angenommen und erklärt habe, nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr für die Beklagte arbeiten zu wollen. Das Kündigungsschutzgesetz diene dem Bestandsschutz, nicht aber einem Abfindungsanspruch.
Gegen den am 10.04.2019 zugestellten Beschluss wendet sich der Kläger mit der am 08.05.2018 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde vom 08.05.2019. Hier führt er aus, dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine Kündigungsschutzklage nach allgemeiner Ansicht durch eine “Kündigungsrücknahme„ nicht entfalle. Auch sei der Kläger im Unternehmen der Beklagten “gemobbt„ worden.
II. Die sofortige Beschwerde ist nach den §§ 46 Abs. 2 Satz 3, 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässig. Die einmonatige Notfrist (§ 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) für die Einlegung der sofortigen Beschwerde ist gewahrt.
1. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
a) Nach § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, sofern die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne von § 114 ZPO sind zu bejahen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der PKH-begehrenden Partei aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorha...