Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebührenprivilegierung bei außergerichtlichem Vergleich
Leitsatz (amtlich)
Das Gebührenprivileg für arbeitsgerichtliche Vergleiche nach Vorbem. 8 KV GKG kommt auch zum Zuge, wenn die Parteien nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils, jedoch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist einen außergerichtlichen Vergleich abschließen und diesen vom Gericht feststellen lassen (Fortführung von LAG Hamm 24.07.1974 – 8 Ta 54/73).
Normenkette
GKG KV Vorbem. 8
Verfahrensgang
ArbG Herne (Beschluss vom 30.07.2010; Aktenzeichen 2 Ca 2779/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Bezirksrevisors beim Landesarbeitsgericht Hamm gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 30.07.2010 – 2 Ca 2779/09 – wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei;
Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
I.
Der Kläger hat die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit u. a. auf Zahlung von Überstundenvergütung in Anspruch genommen. Am 06.04.2010 hat das Arbeitsgericht ein Urteil verkündet, den Parteien jedoch zuvor einen Vergleichsvorschlag unter Setzung einer Annahmefrist bis zum 14.04.2010 unterbreitet. Innerhalb der Frist ist der Vergleichsvorschlag von den Parteien angenommen worden. Gegenüber dem Kläger ist mit Rechnung der Gerichtskasse Düsseldorf vom 15.06.2010 eine Verfahrensgebühr nach Nr. 8210 KV GKG in Ansatz gebracht worden. Hiergegen hat er sich mit Schreiben vom 23.06.2010 gewandt. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 30.07.2010 der Erinnerung vom 23.06.2010 zum Teil abgeholfen, im Übrigen die Kostenbeamtin angewiesen, eine 0,4-Gebühr nach Nr. 8211 KV GKG in Ansatz zu bringen und die Beschwerde zugelassen. Der Bezirksrevisor beim Landesarbeitsgericht Hamm hat gegen den Beschluss vom 30.07.2010 Beschwerde eingelegt. Er meint, wegen erfolgter Beendigung der Instanz greife die Regelung zum Entfallen der Gebühr bei Vergleich nicht mehr ein. Auch der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 8211 Nr. 2 3. Alt. KV GKG liege mangels eines Rechtsmittelverzichts nicht vor. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach Vorbem. 8 KV GKG entfällt bei Beendigung des Verfahrens durch einen gerichtlichen Vergleich die in dem betreffenden Rechtszug angefallene Gebühr. Diese Regelung erfasst auch den Fall eines zwischen Verkündung und Rechtskraft eines instanzbeendenden Urteils – damit noch während der laufenden Instanz – abgeschlossenen Vergleich. Das Urteil zielt auf den Abschluss der Instanz (nach Ablauf der Rechtsmittelfrist), während der Vergleich das Verfahren beendet, was die Vorbem. 8 KV GKG ausreichen lässt.
Dies folgt aus dem Wortlaut und der systematischen Auslegung von Vorbem. 8 KV GKG. Nach dem Wortlaut ist für den Gebührenentfall lediglich die Beendigung des Verfahrens erforderlich. Ein letztmöglicher Zeitpunkt in der betreffenden Instanz (letzte mündliche Verhandlung, Verkündung einer instanzabschließenden Entscheidung) wird nicht zur Voraussetzung des Gebührenentfalls gemacht. Anders als für die anderen Gerichtsbarkeiten in Nr. 1211 Anm. 3, Nr. 1222 Anm. 3, Nr. 1232 Anm. 3, Nr. 1252 Anm. 3, Nr. 1411 Anm. 3, Nr. 1422 Anm. 3, Nr. 5111 Anm. 3, Nr. 5113 Anm. 3, Nr. 5115 Anm. 3, Nr. 5124 Anm. 3, Nr. 5132 Anm. 3, Nr. 5211 Anm. 2, Nr. 5221 Anm. 2, Nr. 5231 Anm. 2, Nr. 7111 Anm. 3, Nr. 7122 Nr. 3, Nr. 7132 Nr. 3, Nr. 7211 Anm. 2 und für die Arbeitsgerichtsbarkeit in Nrn. 8211, 8222, 8232 und 8322 KV GKG für die Ermäßigung der Gebühr wird das Entfallen der Gebühr im Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen als Vorbemerkung vor die Klammer gezogen und ausdrücklich nicht – wie bei den genannten Fällen der Gebührenermäßigung – vom Nichtvorliegen vorheriger abschließender Entscheidungen abhängig gemacht. Damit wird im GKG die frühere Gebührenprivilegierung des arbeitsgerichtlichen Vergleichs im Urteilsverfahren (ursprünglich § 12 Abs. 2 S. 1 ArbGG a. F. bzw. § 12 Abs. 3 S. 1 ArbGG a. F. – vgl. dazu Tschigale/Satzky, Das Kostenrecht in Arbeitssachen, 3. A., S. 92) fortgeschrieben. Zur früheren Rechtslage hat das erkennende Gericht bereits erkannt, dass das Gebührenprivileg auch zum Zuge komme, wenn die Parteien nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils, jedoch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist einen außergerichtlichen Vergleich abschließen und dies dem Arbeitsgericht mitteilen (LAG Hamm 24.07.1974 – 8 Ta 54/73). Die tragenden Gründe überzeugen noch immer. Insbesondere ist zwischen der Frage der Gebührenbefreiung und der Frage der Gebührenfälligkeit zu unterscheiden. Dass die Fälligkeit der Gerichtsgebühren und Auslagen infolge des Erlasses des Urteils eintritt, ändert nichts daran, dass die weitere Prozessentwicklung zum Wegfall des bereits fälligen Gebührenanspruchs führen kann, wie dies auch in Fällen des Ruhens nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GKG geschehen kann. Die bereits „angefallene” und ggf. bereits fällige Gebühr entfällt nach der Vorbem. 8 KV GKG nachträglich.
Fundstellen
Haufe-Index 2623742 |
NJW 2011, 10 |
NZA-RR 201... |