Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitszeugnis. Meldung zur Sozialversicherung. Lohnsteuerbescheinigung. Zwangsgeld zur Erfüllung im Vergleichswege eingegangener Verpflichtung. Zwischenzeitliche Eröffnung des Insolvenzverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Verpflichtet sich der Arbeitgeber im Rahmen eines Vergleichs, dem Arbeitnehmer den Inhalt über die meldepflichtigen Tatbestände zur Sozialversicherung schriftlich auf dem vorgeschriebenen Formular mitzuteilen und ihm ferner den Ausdruck der elektronischen Steuerbescheinigung zu überlassen, liegt eine unvertretbare Handlung vor, deretwegen der Arbeitgeber gem. §

888

ZPO

durch Verhängung eines Zwangsgeldes, ersatzweise Zwangshaft, zur Erfüllung der übernommenen Verpflichtung angehalten werden kann.

2. Daran ändert auch ein inzwischen eröffnetes Insolvenzverfahren nichts, da weder das Vollstreckungsverbot des §

89

InsO

greift noch das Vollstreckungsverfahren nach §

240

ZPO

unterbrochen war.

 

Normenkette

ZPO § 888; InsO § 89; SGB IV § 28 a; ZPO § 240

 

Verfahrensgang

ArbG Bocholt (Entscheidung vom 21.03.2012; Aktenzeichen 2 Ca 1278/11)

 

Tenor

Unter Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Schuldnerin gegen den Zwangsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 21.03.2012 - 2 Ca 1278/11 - wird deklaratorisch festgehalten, dass der Zwangsvollstreckungsbeschluss insoweit wirkungslos ist, als die Schuldnerin in Ziff. 3 des Beschlusses angehalten worden ist, dem Gläubiger ein Arbeitszeugnis zu erteilen.

Die Schulderin trägt die Kosten des Zwangsvollstreckungs- und Beschwerdeverfahrens.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 2.385 €

 

Gründe

Die Parteien waren arbeitsvertraglich vom 28.06.2010 bis zum 31.05.2011 verbunden. Am 01.03.2012 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Schuldnerin und Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen Zwangsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts vom 21.03.2012, mit dem das Arbeitsgericht gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld von je 300,00 € festgesetzt hat, um die Schuldnerin anzuhalten,dem Gläubiger den Inhalt über meldepflichtige Tatbestände zur Sozialversicherung für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.05.2011 schriftlich auf dem vorgeschriebenen Formular mitzuteilen und dem Gläubiger die Lohnsteuerbescheinigung für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 31.05.2011 zu überlassen sowiedem Gläubiger ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis zu erteilen.

Dem liegt ein gerichtlicher Vergleich vom 25.11.2011 zugrunde, der in seinen Ziffern 3 und 4 folgende Verpflichtungen vorsieht:

3. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis, das sich auf Art und Dauer der Beschäftigung sowie Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt.

4. Die Beklagte wird dem Kläger den Inhalt über die meldepflichtigen Tatbestände zur Sozialversicherung für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.05.2011 schriftlich auf dem vorgeschriebenen Formular mitteilen und dem Kläger den Ausdruck der elektronischen Steuerbescheinigung 2011 überlassen.

Die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs wurde der Schuldnerin am 25.01.2012 zugestellt.

Das Arbeitsgericht hat den Beschluss damit begründet, dass die Vollstreckungsschuldnerin - insoweit unstreitig - ihren Verpflichtungen aus dem zugrundeliegenden Vergleich nicht nachgekommen sei. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe keinen Einfluss auf das Zwangsvollstreckungsverfahren. Der Gläubiger begehre im Rahmen des § 888 ZPO die Vollstreckung einer unvertretbaren Handlung. Das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO stehe dem nicht entgegen. Die titulierten Verpflichtungen, Sozialversicherungsnachweise, Lohnsteuerbescheinigungen und ein Zeugnis zu erteilen, seien unvertretbare Handlungen im Sinne des § 888 ZPO. Nur dem Arbeitgeber stünden die insoweit notwendigen Daten aus dem Arbeitsverhältnis zur Verfügung. Der Titel sei ausreichend bestimmt, denn die erforderlichen Daten ergäben sich aus den amtlichen Vordrucken.

Gegen den der Schuldnerin am 26.03.2012 zugestellten Beschluss richtet sich deren sofortige Beschwerde vom 10.04.2012, die sie im Wesentlichen damit begründet, mit dem 01.03.2012 sei gem. § 89 InsO ein Vollstreckungsverbot ausgesprochen worden, das sich auch auf die Vollstreckung der in den Ziffern 3 bis 4 des Vergleichs festgelegten Verpflichtungen beziehe. Sie - die Schuldnerin - könne als GmbH nur durch ihren Geschäftsführer handeln. Diesem sei hingegen jede eigene Handlungsberechtigung entzogen.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde unter erneutem Hinweis darauf, das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO erfasse eine Vollstreckung unvertretbarer Handlungen nicht, nicht abgeholfen und sie dem Beschwerdegericht vorgelegt. Es sei nicht ersichtlich, warum die Verpflichtungen in Ziff. 4 des Vergleichs, die den Sozialversicherungsnachweis und die Steuerbescheinigung beträfen, nur vom Insolvenzverwalter erfüllt werden könnten. Es handele sich um eine Bescheinigung über abgeschlossene Vorgänge, die nicht die Masse betreffen würden. Nicht...

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