Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechte des Betriebsrats bei einseitiger Anordnung von Wochenendarbeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Gilt aufgrund einer "Betriebsvereinbarung über die Flexibilisierung der Arbeitszeit" die 5-Tage-Woche und setzt die Anordnung darüber hinausgehende Arbeit das Einverständnis der Mitarbeiter oder nach dem geltenden Tarifvertrag sogar eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat voraus, so verletzt die einseitige Anordnung von Wochenendarbeit ohne Zustimmung des Betriebsrats dessen Mitbestimmungsrechte.
2. Der Betriebsrat ist befugt, sein Unterlassungsbegehren im Wege einer einstweiligen Anordnung durchzusetzen.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 2-3; ArbGG §§ 87, 85 Abs. 2; BetrVG § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 15.07.2015; Aktenzeichen 4 BVGa 4/15) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 15.07.2015 - 4 BVGa 4/15 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Abteilungen der Verwaltung in R (Entwicklung, Personal, Finanzen, Vertrieb und technische Planung) ausgenommen sind.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in derBeschwerdeinstanz noch um einen Anspruch des Betriebsrates auf Unterlassung der Durchführung von Samstags- und Sonntagsarbeit.
Antragsteller ist der am Standort der Arbeitgeberin in R gewählte Betriebsrat. Die Arbeitgeberin produziert dort mit etwa 500 Beschäftigten Komponenten für die Automobilindustrie. Sie ist durch Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband der Metallindustrie an die Tarifverträge der Nordrhein-Westfälischen Metallindustrie gebunden.
Arbeitgeberin und Betriebsrat schlossen unter dem 22.11.2002 eine Betriebsvereinbarung über die Flexibilisierung der Arbeitszeit, die mittlerweile gekündigt ist. Insoweit befinden sich die Betriebspartner in Verhandlungen vor der Einigungsstelle. Die Betriebsvereinbarung beschreibt u.a. folgendes:
"§ 3 Rahmen der Flexibilisierung
...
Es gilt die 5-Tage-Woche von Montag bis Freitag (§ 4, Abs. 1 MTV)
...
§ 4 Arbeitszeiten und Ankündigungsfristen
...
Besteht aufgrund erheblicher Auftragsschwankungen, Maschinenstillständen, aus Mangel an Material oder vergleichbarem Gründen die dringende Notwendigkeit, die Arbeitszeit kurzfristig zu verlängern oder zu verkürzen, kann dies in Ausnahmefällen und mit Einverständnis des Mitarbeiters am gleichen Tag erfolgen."
Wegen der Einzelheiten der vorstehenden Betriebsvereinbarung wird auf die Fotokopie Bl. 11 ff. d.A. Bezug genommen.
§ 4 Ziffer 1 Abs. 1 und 2 des zum Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung geltenden § 4 des Manteltarifvertrages Metall NRW lautete (insoweit gleichlautend mit der aktuellen Bestimmung im einheitlichen Manteltarifvertrag für die Metallindustrie (EMTV)):
"1. Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit sowie die regelmäßige wöchentliche Ausbildungszeit können gleichmäßig oder ungleichmäßig grundsätzlich auf fünf Werktage von Montag bis Freitag verteilt werden.
Eine davon abweichende Regelung kann nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse unter angemessener Berücksichtigung der Belange der betroffenen Arbeitnehmer mit dem Betriebsrat vereinbart werden. ..."
Aufgrund möglicher Betriebsänderung verhandelt derzeit die Arbeitgeberin mit der IG Metall über einen von ihnen sogenannten "tariflichen Sozialplan".
Unter dem 29.01.2015 beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur geplanten Mehrarbeit für den 31.01. und 01.02.2015 (Samstag und Sonntag). Noch mit elektronischer Post vom 29.01.2015 lehnte der Betriebsrat ab. Gleichwohl wurde an beiden Tagen auf freiwilliger Basis gearbeitet. Mit weiterem Schreiben vom 05.02.2015 beantragte die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrates zur geplanten Mehrarbeit für Samstag, den 07.02.2015. Noch am gleichen Tage verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung. Gleichwohl nahmen 26 Beschäftigte, ebenfalls auf freiwilliger Basis, ihre Tätigkeit am 07.02.2015 auf. Gleiches geschah am 14.02.2015 nach entsprechendem Antrag der Arbeitgeberin beimBetriebsrat vom 12.02.2015. Ebenso am 21.02.2015 (Samstag) wurde im Betrieb gearbeitet, ohne dass der Betriebsrat dem zugestimmt hätte.
Mit Antragsschrift vom 12.02.2015 zum Arbeitsgericht Bielefeld hat der Betriebsrat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Unterlassungsverfügung - soweit im Beschwerdeverfahren noch von Interesse - beantragt, mit der der Arbeitgeberin aufgegeben werden soll, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Betrieb in R an Samstagen und Sonntagen arbeiten zu lassen, solange hierzu die Bestimmung des Betriebsrates nicht vorliegt bzw. die mangelnde Zustimmung durch einen Spruch der Einigungsstelle ersetzt wurde.
Der Betriebsrat meint, ihm stünde wegen eines mitbestimmungswidrigen Verhaltens der Arbeitgeberin ein entsprechender Unterlassungsanspruch zu.
Die Arbeitgeberin ist dem entgegengetreten und hat sowohl erstinstanzlich wie auch im Beschwerdeverfahren die Auffassung vertreten, dass
- die Anträge des Betriebsrates zu weit gefass...