Entscheidungsstichwort (Thema)
Einrichtung einer Einigungsstelle. Mitbestimmung bei der betrieblichen Berufsbildung. Abgrenzung zwischen Einweisung in Arbeitsablauf und -verfahren und betrieblicher Berufsbildung
Leitsatz (amtlich)
Das Mitbestimmungsrecht des § 97 Abs. 2 BetrVG n.F. verlangt einen konkreten drohenden Qualifizierungsverlust der betroffenen Arbeitnehmer. Ein Bedarf nach betrieblicher Berufsbildung setzt voraus, dass die mit einer Maßnahme des Arbeitgebers verbundenen Änderungen der Tätigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer so nachhaltig sind, dass die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer nicht mehr ausreichen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können.
Die Einweisung von Arbeitnehmern in die Tätigkeit an einer neu angeschafften Maschine, die bloße Bedienungsanleitung stellt keine betriebliche Berufsbildung im Sinne des § 97 Abs. 2 BetrVG n.F. dar.
Normenkette
ArbGG § 98; BetrVG § 97 Abs. 2, § 81
Verfahrensgang
ArbG Bocholt (Beschluss vom 08.03.2002; Aktenzeichen 2 BV 41/01) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 08.03.2002 – 2 BV 41/01 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
A
Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.
Der Arbeitgeber ist ein Unternehmen der Elektrobranche mit Hauptsitz in D4xxxxxx. Insgesamt beschäftigt er ca. 400 Arbeitnehmer, davon rund 160 Arbeitnehmer in der Zweigniederlassung O1xxx.
Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der für den Betrieb O1xxx gewählte Betriebsrat, der aus sieben Mitgliedern besteht.
Im Betrieb O1xxx waren zum Zwecke der Blechbearbeitung bislang zwei CNC-Stanzen der Firma Trumpf vorhanden, an denen etwa vier bis fünf Mitarbeiter eingesetzt waren. Bei den Stanzen handelte es sich um je eine Stanze der Typen TC 180 und TC 240. Im Laufe des Jahres 2001 wurde die Stanze des älteren Typs TC 180 gegen eine neu angeschaffte CNC-Stanze der Firma Trumpf – TC 5000 – ausgetauscht. Das Neugerät wurde im August 2001 in O1xxx montiert und im September 2001 in Betrieb genommen.
Im Mai 2001 ließ der Arbeitgeber drei Arbeitnehmer, die Herren K1xxxxxxxx, J1xxxxx und D5xxxx, im Hause der Firma Trumpf im Rahmen eines rund zweiwöchigen Lehrganges in die Bedienung und Handhabung der neuen CNC-Stanze TC 5000 einweisen, wobei die Mitarbeiter K1xxxxxxxx und J1xxxxx auch zuvor schon mit der Blechbearbeitung an den vorhandenen Stanzen befasst waren, der Mitarbeiter D5xxxx hingegen nicht. Durch diese Auswahlentscheidung sah sich der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende S5xxxx H6xxxxxx, der überwiegend an der CNC-Stanze TC 240, jedoch zeitweise auch an der abgeschafften CNC-Stanze TC 180 eingesetzt war, aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit gezielt in seiner beruflichen Entwicklung benachteiligt und richtete aus diesem Grund unter dem 09.07.2001 eine entsprechende Beschwerde an den Betriebsrat. Verhandlungen über die Berechtigung dieser Beschwerde und etwaige Abhilfemöglichkeiten, gegebenenfalls auch im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens, lehnte der Arbeitgeber ab. Ein auf Antrag des Betriebsrats beim Arbeitsgericht eingeleitetes Verfahren nach § 98 ArbGG auf Einrichtung einer Einigungsstelle zur Behandlung der Beschwerde des Mitarbeiters H6xxxxxx – 2 BV 22/01 ArbG Bocholt – war erfolglos. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats – 10 TaBV 113/01 LAG Hamm – nahm der Betriebsrat zurück.
Mit Schreiben vom 13.11.2001 (Bl. 4 d.A.) forderte der Betriebsrat den Arbeitgeber unter Hinweis auf die vorgenommene Neuanschaffung und die durchgeführten Einweisungsmaßnahmen – insbesondere im Hinblick auf die einseitig getroffene Auswahl der eingewiesenen Mitarbeiter – auf, mit ihm hinsichtlich der Mitbestimmungsrechte aus § 97 BetrVG in Verhandlungen über Fragen der beruflichen Weiterbildung im CNC-Bereich zu treten. Dies lehnte der Arbeitgeber mit Schrieben vom 21.11.2001 (Bl. 5 d.A.) ab, da nach seiner Auffassung die bloße Einweisung in die Bedienung einer im Rahmen einer Ersatzbeschaffung erworbenen Maschine ein Mitbestimmungsrecht bezogen auf Fragen der betrieblichen Weiterbildung nicht auslöse.
Auf seiner Betriebsratssitzung vom 14.12.2001 fasste der Betriebsrat daraufhin den Beschluss, die Verhandlungen insoweit für gescheitert zu erklären und die Einigungsstelle anzurufen. Dies teilte er dem Arbeitgeber mit Schreiben vom 14.12.2001 (Bl. 6 d.A.) mit.
Mit dem am 18.12.2001 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag macht der Betriebsrat schließlich die Einrichtung einer Einigungsstelle geltend.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, bei der Neuanschaffung der CNC-Stanze TC 5000 handele es sich um eine Maßnahme, die mit einer so gravierenden Änderung der Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer einhergegangen sei, dass die bereits vorhandenen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung dieser neuen Aufgabe nicht mehr ausgereicht hätten. Dies löse das in § 97 Abs. 2 BetrVG n.F. beschriebene Mitbestimmungsrecht aus. Die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über Maßnahmen der bet...