Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung des für die Prozessführung einzusetzenden Einkommens bei Bezug von Krankengeld. Berücksichtigung des Erwerbstätigenfreibetrages gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1b ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Abzug des Erwerbstätigenfreibetrages gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b) ZPO kommt bei Bezug von Krankengeld nicht in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis beendet und ein neues nicht begründet worden ist.

Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit und der Krankengeldbezug noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses beginnen, jedoch über dessen Ende hinaus fortdauern und das zu zahlende Krankengeld deswegen nach § 47 SGB V als Anteil vom regelmäßig erzielten Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen berechnet wird.

 

Normenkette

ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 Buchst. b)

 

Verfahrensgang

ArbG Herford (Entscheidung vom 19.02.2016; Aktenzeichen 2 Ca 1248/15)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 19. Februar 2016 (2 Ca 1248/15) hinsichtlich der Ratenzahlungsanordnung teilweise abgeändert.

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt mit der Maßgabe, dass die Klägerin aus ihrem Einkommen monatliche Raten von 79,00 Euro zu zahlen hat.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin zur Hälfte.

Die Rechtsbeschwerde wird für die Klägerin zugelassen.

 

Gründe

Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht am 14. März 2016 eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss vom 19. Februar 2016 ist teilweise begründet. Die Klägerin hat lediglich eine monatliche Rate in Höhe von 79,00 Euro statt der vom Arbeitsgericht festgesetzten 129,00 Euro zu zahlen. Dagegen ist eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung aufgrund des der Klägerin zur Verfügung stehenden, einzusetzenden Einkommens nicht gerechtfertigt.

1. Die Klägerin bezieht Krankengeld in Höhe von 1.125,00 Euro netto. Darüber hinaus erhält sie für ihre 2010 geborene Tochter Kindergeld in Höhe von 190,00 Euro. Das Kindergeld gehört, wenn das Kindergeld an sie ausgezahlt wird, zum Einkommen der Partei, welche Prozesskostenhilfe beantragt. Es ist stets in voller Höhe zu berücksichtigen. § 82 Abs. 1 Satz 3 SGB XII ist bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens einer Partei nach § 115 Abs. 1 ZPO weder unmittelbar noch analog anwendbar. Die Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts eines Kindes erfolgt durch die Freibetragsregelung des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 b ZPO. Das Kindergeld ist nicht als Einkommen nach § 115 Abs. 1 Satz 7 ZPO mit diesem Unterhaltsfreibetrag zu verrechnen (vgl. im Einzelnen zur Begründung LAG Hamm, 9. Februar 2016, 14 Ta 370/15, NZA-RR 2016, 378, Rn. 8 - 30 m. w. N. auch zu den abweichenden Auffassungen). Insgesamt verfügt die Klägerin danach über ein Einkommen von 1.315,00 Euro netto, wie das Arbeitsgericht zutreffend ermittelt hat.

2. Von diesem Nettoeinkommen ist ein Betrag von insgesamt 1.155,05 Euro für Freibeträge sowie Belastungen im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO absetzbar.

a) Abzuziehen vom Einkommen ist zunächst der Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 a) ZPO in Höhe von 468,00 Euro, welcher der Klägerin persönlich zusteht.

b) Für die 2010 geborene Tochter hat das Arbeitsgericht lediglich einen Betrag von 128,00 Euro als Freibetrag gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 b) ZPO vom Einkommen der Klägerin abgesetzt. Dabei hat es von dem zum Zeitpunkt seiner Entscheidung am 19. Februar 2016 maßgeblichen Freibetrag in Höhe von 272,00 Euro den Unterhaltsvorschuss in Höhe von 144,00 Euro abgezogen, welcher vom zuständigen Jugendamt mangels Unterhaltsleistung des Kindesvaters geleistet wird.

Der davon abweichende Abzug eines Betrages von 210,79 Euro durch das Beschwerdegericht beruht zum einen darauf, dass zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung die Tochter das 6. Lebensjahr vollendet hat und der Klägerin für ihre Tochter nunmehr ein erhöhter Unterhaltsfreibetrag von 309,00 Euro zusteht (vgl. PKH-B 2016 vom 8. Dezember 2015, BGBl. I.250, 2357). Maßgeblich für die Beurteilung der Bedürftigkeit ist im Beschwerdeverfahren der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (vgl. LAG Hamm, 1. Juli 2015, 14 Ta 6/15, [...], Rn. 21). Insoweit sind Änderungen in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen während des Bewilligungsverfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens zu berücksichtigen (vgl. LAG Hamm, a. a. O., Rn. 22).

Von diesem Freibetrag ist zwar der Unterhaltsvorschuss, welchen die Tochter erhält, als deren Einkommen nach § 115 Abs. 1 Satz 7 ZPO abzuziehen. Für diese Leistung des Jugendamtes gilt das gleiche wie für Unterhaltszahlungen, welche für ein bei der Partei wohnendes Kind vom Unterhaltspflichtigen unmittelbar geleistet werden (vgl. Büttner/Wrobel/Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Auflage, 2014, Rn. 242 m. w. N.). Dieses Einkommen de...

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