Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmungsersetzung zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds. Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit. Erschleichen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. genesungswidriges Verhalten. Erschütterung der Beweiskraft einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei einer psychischen Erkrankung
Leitsatz (amtlich)
Auch bei psychischen Erkrankungen, deren Diagnose im Wesentlichen auf subjektiven Angaben des Patienten beruhen, bringt das ärztliche Attest regelmäßig ausreichenden Beweis für die Arbeitsunfähigkeit. Auch in derartigen Fällen müssen zur Erschütterung des Beweiswertes der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung konkrete Tatsachen vorgetragen werden, die ernsthafte und objektiv begründete Zweifel an dem tatsächlichen Bestehen der Arbeitsunfähigkeit aufkommen lassen.
Normenkette
BetrVG § 103; KSchG § 15 Abs. 1; BGB § 626 Abs. 1; EFZG § 5
Verfahrensgang
ArbG Münster (Beschluss vom 13.07.2006; Aktenzeichen 2 BV 19/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 13.07.2006 – 2 BV 19/06 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A
Im vorliegenden Beschlussverfahren begehrt die antragstellende Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3..
Die Arbeitgeberin beschäftigt in ihrem Betrieb in M3xxxxx mehrere hundert Mitarbeiter. In ihrem Betrieb ist ein aus neun Personen bestehender Betriebsrat, der Beteiligte zu 2., gewählt.
Der Beteiligte zu 3. ist am 01.01.14xx geboren, verheiratet und gegenüber zwei Kindern unterhaltsverpflichtet. Seit dem 01.10.1995 ist er im Betrieb der Arbeitgeberin im Bereich der Produktion Vor- und Nachbearbeitung von Blutkonserven zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 2.700,00 EUR tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesangestelltentarifvertrag in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.
Seit dem Jahre 2002 ist der Beteiligte zu 3. Mitglied des Betriebsrats. Bei der turnusmäßigen Betriebsratswahl im Frühjahr 2006 wurde der Beteiligte zu 3. wiedergewählt.
Seit dem Jahre 2000 war der Beteiligte zu 3. des Öfteren arbeitsunfähig erkrankt. Auf die von der Arbeitgeberin erstellte Übersicht (Bl. 9 d.A.) über die Krankheitszeiten des Beteiligten zu 3. wird Bezug genommen.
Am 02.05.2006 meldete sich der Beteiligte zu 3. bei der Arbeitgeberin krank und legte für den Zeitraum vom 28.04.2006 bis zum 12.05.2006 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Bl. 10 d.A.) der praktischen Ärztin D2. R2xxxxx vor. Am 12.05.2006 reichte der Beteiligte zu 3. eine Folgebescheinigung (Bl. 11 d.A.), ausgestellt ebenfalls von der Ärztin D2. R2xxxxx, für den Zeitraum bis zum 26.05.2006 ein.
Im Hinblick auf die früheren Erkrankungen des Beteiligten zu 3. sowie auf im Betrieb kursierenden Gerüchten hegte die Arbeitgeberin den Verdacht, der Beteiligte zu 3. sei in Wahrheit nicht arbeitsunfähig erkrankt. Deshalb beauftragte sie die Detektei B8xx T1xxxxx mit der Observierung des Beteiligten zu 3. für den 15. und 16.05.2006. Diese Observierung ergab, dass der Beteiligte zu 3. am 15.05.2006 u.a. eine Astschere trug. Des Weiteren entfernte er sich am 15.05.2006 von seiner Wohnung, um entweder mit seinem Hund oder einer weiteren Person spazieren zu gehen oder einzukaufen. Ferner führte er in M3xxxxx-A4xxxxxxxx Arbeiten an einem Kraftfahrzeug, einem weißen Transporter, durch. Am 16.05.2006 arbeitete der Beteiligte zu 3. nachmittags in A2xxxxxxxx an einem Ford Focus und montierte dort die Heckstoßstange ab. Wegen Einzelheiten der Observierung des Beteiligten zu 3. wird auf den Observierungsbericht o.D. (Bl. 16 ff.d.A.) Bezug genommen.
Da die Arbeitgeberin die Auffassung vertrat, der Beteiligte zu 3. habe sich die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschlichen und die Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht, mindestens habe er sich genesungswidrig verhalten, hörte sie mit Schreiben vom 23.05.2006 (Bl. 12 ff.d.A.) den Betriebsrat hierzu an und bat um Zustimmung zur fristlosen Kündigung nach § 103 BetrVG. Mit Schreiben vom 24.05.2006 (Bl. 15 d.A.) verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung zur fristlosen Kündigung.
Mit dem am 29.05.2006 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren machte die Arbeitgeberin daraufhin die Zustimmungsersetzung beim Arbeitsgericht geltend.
Die Arbeitgeberin hat behauptet, der Beteiligte zu 3. habe sich die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschlichen, seine Krankheit sei nur vorgetäuscht. Der Beteiligte zu 3. habe Reparaturarbeiten an fremden Fahrzeugen vorgenommen, die er aber bei einer tatsächlichen Erkrankung nicht hätte durchführen können. Die vom Beteiligten zu 3. vorgelegten ärztlichen Atteste seien Gefälligkeitsatteste. Der Beteiligte zu 3. habe bei seiner Observierung einen absoluten gesunden Eindruck hinterlassen. Wer mehrere Stunden Reparaturarbeiten an einem fremden Fahrzeug ausführen könne, sei nicht arbeitsunfähig erkrankt.
Mindestens die an dem Ford Fo...