Entscheidungsstichwort (Thema)

Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor tariflicher Leistungsbeurteilung bei Schwerbehinderten

 

Leitsatz (amtlich)

Vor einer tariflichen Leistungsbeurteilung bei Schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten Beschäftigten ist die Schwerbehindertenvertretung gem. § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX zu beteiligen (Anschluss an LAG München, Beschluss vom 16.01.2017, 3 TaBV 95/16 juris).

 

Normenkette

SGB IX § 178 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 11.07.2019; Aktenzeichen 1 BV 28/18)

 

Tenor

  1. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 11.07.2019 - 1 BV 28/18 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Auf den Hilfsantrag der Schwerbehindertenvertretung wird festgestellt, dass die Arbeitgeberin die Schwerbehindertenvertretung vor schriftlicher Mitteilung und Erläuterung der ERA-Leistungsbeurteilung gegenüber den Schwerbehinderten und diesen Gleichgestellten zu unterrichten und anzuhören hat.

    Im Übrigen wird der Antrag der Schwerbehindertenvertretung abgewiesen.

  2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin gegenüber der antragstellenden Schwerbehindertenvertretung, diese vor Bekanntgabe einer tariflichen Leistungsbeurteilung gegenüber schwerbehinderten Menschen oder ihnen Gleichgestellten zu beteiligen.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Metallindustrie. Sie wendet kraft Verbandszugehörigkeit die Tarifverträge der nordrhein-westfälischen Metall- und Elektroindustrie an. Im Betrieb sind etwa 50 Schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Menschen beschäftigt.

Die Arbeitgeberin führt auf der Grundlage des Entgeltrahmenabkommens in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: ERA-TV) Leistungsbeurteilungen durch, die Grundlage für die Zahlung einer tariflichen Leistungszulage für Beschäftigte im Zeitentgelt sind. In Ergänzung der tariflichen Regelungen, insbesondere § 10 ERA-TV, gilt eine Betriebsvereinbarung über die "Einführung einer tariflich basierten Leistungsbeurteilung für Mitarbeiter im Zeitentgelt" vom 25.07.2013. Die tariflichen Regelungen sehen vor (§ 10 Ziffer 7 ERA-TV), dass das Leistungsverhalten aller Beschäftigten einmal im Kalenderjahr zu beurteilen ist. Daneben regelt der Tarifvertrag ein Beanstandungsverfahren, wonach sowohl den Beschäftigten wie auch dem Betriebsrat die Möglichkeit der Beanstandung einer Leistungsbeurteilung zuerkannt wird, deren Behandlung in einer paritätischen Kommission zu erfolgen hat. In der vorstehend genannten Betriebsvereinbarung (im Folgenden: ERA-BV) wird in Ergänzung der tariflichen Regelungen beschrieben, dass die errechnete Leistungszulage "den Mitarbeiter einmal jährlich durch seinen disziplinarischen Fachvorgesetzten ... schriftlich mitgeteilt und erläutert" wird. Wegen der Einzelheiten der ERA-BV wird auf die Kopie Bl. 15 d.A. Bezug genommen.

Anlässlich der Leistungsbeurteilung für den Zeitraum 2017/2018 entstand zwischen der Schwerbehindertenvertretung und der Arbeitgeberin ein Streit darüber, ob die Schwerbehindertenvertretung vor Bekanntgabe der Leistungsbeurteilung an die Schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Beschäftigten zu unterrichten und anzuhören ist. Soweit es individualrechtlich zu Beanstandungen der Leistungsbeurteilungen 2017/2018 gekommen ist, ist das tarifliche Beanstandungsverfahren bislang ausgesetzt worden.

Im Termin zur mündlichen Anhörung vor der Beschwerdekammer am 14.01.2020 haben die Beteiligten übereinstimmend erläutert, dass aufgrund der tariflichen Zeitvorgaben die Leistungsbeurteilungen 2019/2020 mittlerweile durchgeführt und abgeschlossen worden sind.

Mit dem vorliegenden, beim Arbeitsgericht Hagen am 21.12.2018 eingegangenen Antrag auf Einleitung des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens hat die Schwerbehindertenvertretung letztendlich die Aussetzung der Leistungsbeurteilungen "aus dem Jahr 2018 betreffend Schwerbehinderte und diesen Gleichgestellten", hilfsweise die Feststellung begehrt, dass die Arbeitgeberin die Schwerbehindertenvertretung bei einer Leistungsbeurteilung zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören hat.

Sie hat die Auffassung vertreten, bei der tariflichen Leistungsbeurteilung auf der Grundlage des ERA-TV handele es sich um eine Entscheidung der Arbeitgeberin im Sinne der Regelungen über die Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung. Die Gruppe der Schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen seien von der Leistungsbeurteilung auch besonders betroffen, da gerade die Beurteilung der Einzelheiten des Arbeits- und sonstigen Leistungsverhaltens wegen einer Behinderung berücksichtigt werden müssten. Dies zeige auch der gesetzgeberische Auftrag an die Arbeitgeberin, Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Menschen so zu beschäftigen, dass sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiter entwickeln könnten. Die Leistungsbeurteilungen, die im Jahre 2018 abges...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge