Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsstellenverfahren für Trinkgelder. Verteilung von Zuwendungen durch Kunden. Fragen der betrieblichen Lohngestaltung und Einigungsstelle
Leitsatz (amtlich)
Eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand “Verteilung von Trinkgeldern„ ist offensichtlich unzuständig.
Normenkette
ArbGG § 98; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10; GewO § 107 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 02.04.2014; Aktenzeichen 3 BV 13/14) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 02.04.2014 - 3 BV 13/14 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag des Betriebsrats abgewiesen wird.
Gründe
A.
Die Beteiligten des vorliegenden Beschlussverfahrens streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand der Verteilung von Zuwendungen durch Kunden, die die Beteiligten vorwiegend als "Trinkgelder" bezeichnen.
Antragsteller ist der bei der weiteren Beteiligten (im Folgenden: Arbeitgeberin) gewählte Betriebsrat. Die Arbeitgeberin betreibt ein Gebäudereinigungsunternehmen und ist seit über sechs Jahren damit beauftragt, die Toilettenanlagen im Einkaufszentrum "D P" zu reinigen und zu beaufsichtigen. Vor den Toilettenanlagen hat die Arbeitgeberin Tische aufgestellt, auf denen sich ein weißer Dessertteller befindet, auf dem die Benutzer der Toilette ein "Trinkgeld" ablegen können. In den Toilettenanlagen waren Hinweisschilder angebracht, die, durch Renovierungsarbeiten bedingt, ungefähr in den Monaten Dezember 2012 bis September 2013 abgehängt waren. Seit 2014 hängen an Säulen zwischen den Toilettenanlagen und den Tellern und unmittelbar neben den Kennzeichnungen der Toilettengänge Schilder mit folgendem Text:
"Liebe Gäste,
der Obolus, den Sie für die Benutzung der Toiletten im D entrichten, ist freiwillig und wird an die Firma J GmbH entrichtet, die mit der Reinigung und dem Unterhalt der Toiletten beauftragt ist. Ihr Beitrag wird für die Entlohnung des hierfür eingesetzten Personals eingesetzt.
Vielen Dank!
J D"
Wegen der optischen Darstellung der angebrachten Schilder wird auf die von der Arbeitgeberin zur Akte gereichten Fotokopien von Fotografien Bl. 61 ff. d.A. Bezug genommen.
Die Arbeitgeberin beschäftigt im Rahmen des vom D P erteilten Auftrages so bezeichnete "Sitzerinnen" und Reinigungskräfte. Einzige Aufgabe der "Sitzerinnen" im Bereich der Toilettenanlagen ist es, die Zuwendungen der Kunden, die auf den Desserttellern abgelegt werden, zu beaufsichtigen und jeweils in einem Safe der Arbeitgeberin zu verbringen, sobald der Teller voll ist. Daneben sind hin und wieder die Toiletten zu betreten und auf Verunreinigungen zu prüfen. Sollten solche festgestellt werden, rufen sie Reinigungskräfte aus dem Reinigungsteam der Arbeitgeberin per Funk herbei, damit jene die Reinigungsarbeiten erbringen. Die Arbeitgeberin zahlt an die Sitzerinnen eine Vergütung von 5,20 € pro Stunde; die Reinigungskräfte erhalten den nach den maßgeblichen tariflichen Regelungen vorgesehenen Stundenlohn von 9,31 €.
In einem Individualrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen zum Aktenzeichen 1 Ca 1603/13 ist mittlerweile rechtskräftig erkannt worden, das die dortige Beklagte, die Arbeitgeberin, verpflichtet ist, Auskunft über die Höhe der in den Toilettenanlagen in den Monaten Mai und Juni 2013 vereinnahmten "Trinkgelder" zu erteilen. Dortige Klägerin ist eine von der Arbeitgeberin beschäftigte "Sitzerin".
Nachdem der Betriebsrat mit Schreiben vom 28.01.2014 (Kopie Bl. 28 d.A.) die Arbeitgeberin aufgefordert hatte, Verhandlungen über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Verteilung der "Trinkgelder" im D P aufzunehmen und die Arbeitgeberin dies abgelehnt hatte, verfolgt der Betriebsrat mit dem vorliegenden, beim Arbeitsgericht Gelsenkirchen am 21.03.2014 eingegangenen Antrag auf Einleitung eines Beschlussverfahrens weiter.
Der Betriebsrat hat vorgetragen:
Die Einigungsstelle zur Frage der Verteilung der vereinnahmten Trinkgelder sei im Sinne des § 98 ArbGG jedenfalls nicht offensichtlich unzuständig. Der Betriebsrat beziehe sich insbesondere auf die im Individualverfahren ergangene Entscheidung des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen 1 Ca 1603/13. Wenn schon eine Auskunftsverpflichtung gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer bestehe und daraus zugleich ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Auskehrung zumindest von Anteilen des "Trinkgeldes" anzunehmen sei, handele es sich kollektivrechtlich um einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand im Sinne des § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG, da es um Grundsätze von Entgeltfragen gehe.
Der Betriebsrat hat beantragt,
1. Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand Abschluss einer Betriebsvereinbarung über die Verteilung im D P vereinnahmter Trinkgelder wird der Richter L bestellt.
2. Die Anzahl der Beisitzer je Seite beträgt drei.
Hilfsweise zu 1.),
zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem RegelungsgegenstandAbschluss einer Betriebsvereinbarung über die Verteilung im D P in der Zeit v...