Entscheidungsstichwort (Thema)
Offensichtliche Unzuständigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Gemäß § 98 Abs. 1 S. 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt infrage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt.
Normenkette
ArbGG § 98
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Beschluss vom 26.04.2004; Aktenzeichen 3 BV 23/04) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 26.04.2004 – 3 BV 23/04 – unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen abgeändert.
Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle beim Arbeitgeber zur Verhandlung über einen Sozialplan wird der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht Hamm Schmidt bestellt. Die Anzahl der Beisitzer wird für jede Seite auf zwei festgelegt.
Tatbestand
A
Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.
Der Arbeitgeber betreibt in der Bundesrepublik sechs Filialbuchhandlungen, in denen insgesamt ca. 120 Arbeitnehmer beschäftigt sind, u.a. eine Filialbuchhandlung in B2xxxxxxx, in der ca. 20 Mitarbeiter tätig sind.
Antragsteller ist der im Betrieb B2xxxxxxx gewählte Betriebsrat, der aus drei Personen besteht.
Ob im Betrieb B2xxxxxxx regelmäßig 20 oder 21 Arbeitnehmer mit Ausnahme der leitenden Angestellten beschäftigt werden, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Im Betrieb in B2xxxxxxx, den der Arbeitgeber zum Jahreswechsel 2001/2002 übernommen hatte, waren neben ca. 16 Buchhändlern/-innen fünf Kassenkräfte tätig, die ausschließlich Kassierertätigkeiten verrichteten. Unter den Kassenkräften befanden sich die Betriebsratsvorsitzende und ein weiteres Betriebsratsmitglied. Für die langfristig erkrankte Betriebsratsvorsitzende wurde eine Vertretungskraft, Frau H2xxxx, mit einem befristeten Arbeitsvertrag vom 20.12.2003 bis zum 31.12.2004 eingestellt.
Mit Aushang vom 20.08.2003 (Bl. 50 f.d.A.) wies der Arbeitgeber auf die unbefriedigenden Ergebnisse, die im Betrieb in B2xxxxxxx erzielt wurden, hin und trat an die Arbeitnehmerinnen mit der Bitte um Ableistung unbezahlter Mehrarbeit bzw. Heraufsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden auf 39 Stunden ohne Lohnausgleich heran. Der Betriebsrat widersprach dieser Bitte des Arbeitgebers.
Mit dem an die Filialleiterin im Betrieb B2xxxxxxx gerichteten Schreiben vom 24.03.2004 (Bl. 9 f.d.A.) teilte der Arbeitgeber mit, dass er sich entschlossen habe, nur noch Fachpersonal zu beschäftigen und die Abteilung, die bisher die Kassiererinnen inne gehabt hätten, zu schließen; sämtliche Kassierertätigkeiten würden den Tätigkeiten der Buchhändlerinnen zugeordnet; Folge dieser Entscheidung sei die beabsichtigte ordentliche betriebsbedingte Kündigung aller beschäftigten Kassiererinnen. Mit Schreiben vom 24.03.2004 (Bl. 6 ff.d.A.) hörte der Arbeitgeber den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung der fünf Kassiererinnen an. Das Anhörungsschreiben vom 24.03.2004 wurde im Hinblick auf die Kündigungsfristen sowie Schreibfehler durch ein Ergänzungsschreiben vom 02.04.2004 ergänzt (Bl. 12 ff d.A.).
Mit Schreiben vom 07.04.2004 widersprach der Betriebsrat den beabsichtigten fünf Kündigungen nach § 102 Abs. 3 BetrVG.
Mit dem am 08.04.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung – 2 BVGa 2/04 Arbeitsgericht Bielefeld – machte der Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber die Unterlassung des Ausspruches von Kündigungen gegenüber den Kassiererinnen geltend, bevor Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich abgeschlossen seien.
Mit Schreiben vom 14.04.2004 kündigte der Arbeitgeber das mit den betroffenen Kassiererinnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich aus betriebsbedingten Gründen.
Mit dem vorliegenden, am 15.04.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag begehrte der Betriebsrat die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Verhandlung über einen Sozialplan.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die begehrte Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Mit ihm hätte vor Ausspruch der streitbefangenen Kündigungen über einen Interessenausgleich verhandelt werden müssen. Auch in Kenntnis des einstweiligen Verfügungsverfahrens 2 BVGa 2/04 habe der Arbeitgeber es nicht für notwendig gehalten, mit dem Betriebsrat Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan aufzunehmen. Der Arbeitgeber betreibe eine sozialplanpflichtige Betriebsänderung. Bei den geplanten Maßnahmen handele es sich um eine Betriebsänderung im Sinne des § 11...