Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlussfrist. effektiver Rechtsschutz. Erfolgsaussicht. Grundrecht. Klageerhebung. Prozesskostenhilfeantrag. Verfallfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Der nach einer Ausschlussfrist notwendigen ordnungsgemäßen gerichtlichen Geltendmachung steht grundsätzlich nicht (mehr) entgegen, dass nur ein Prozesskostenhilfeantrag mit einem Klageentwurf bei Gericht eingereicht wird. Dies folgt nunmehr aus der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erforderlichen Berücksichtigung des aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz bei der Auslegung und Anwendung von tariflichen Ausschlussfristen (vgl. BVerfG, 1. Dezember 2010, 1 BvR 1682/07, NZA 2011, 354).
2. Zumindest handelt es sich hierbei um eine offene und ausschließlich im Hauptsacheverfahren zu entscheidende Rechtsfrage, was die hinreichende Erfolgsaussicht einer solchen Klage begründet.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; TVG § 4 Abs. 4 S. 3; ZPO § 114
Verfahrensgang
ArbG Münster (Beschluss vom 09.12.2010; Aktenzeichen 3 Ca 491/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird unter ihrer Zurückweisung im Übrigen der Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 9. Dezember 2010 (3 Ca 491/10) teilweise abgeändert.
Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für den Klageantrag zu 1) aus dem Klageentwurf vom 11. März 2010, soweit sie die Zahlung von 79,30 Euro verlangt, und den Klageantrag zu 2) aus dem Schriftsatz vom 22. März 2010 mit Wirkung vom 20. Dezember 2010 für den ersten Rechtszug bewilligt.
Zur Wahrnehmung ihrer Rechte in diesem Rechtszug wird ihr Rechtsanwalt D1. S1 II aus M1 beigeordnet.
Die Bewilligung erfolgt mit der Maßgabe, dass die Antragstellerin keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.
Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückgewiesen
Die Antragstellerin trägt die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine gegen die Antragsgegnerin beabsichtigte Klage. Die Antragstellerin war bei der Antragsgegnerin, welche ein Gebäudereinigungsunternehmen betreibt, als Reinigungskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 5 Stunden und einem Stundenlohn von 8,15 Euro bis zum 31. Dezember 2009 beschäftigt. Unter dem 28. Januar 2010 schrieb sie persönlich die Antragsgegnerin wegen der aus ihrer Sicht noch zu zahlenden Urlaubsabgeltung für 15 Tage, noch zu zahlenden Urlaubsgeldes, Fahrgeldes und weiterer Vergütung für Dezember 2009 an. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieses Schreibens (Bl. 57 PKH-Akte) Bezug genommen. Die Antragsgegnerin lehnte mit Schreiben vom 31. Januar 2010 (Bl. 55 PKH-Akte) eine Zahlung ab. Eine weitere Geltendmachung eines Teils der Ansprüche erfolgte durch die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin unter dem 26. Februar 2010.
Am 15. März 2010 ging beim Arbeitsgericht der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß dem in der Anlage beigefügten, nicht unterzeichneten Entwurf einer Klage gegen die Antragsgegnerin ein. Beantragt wurde die Zahlung von 350,74 Euro, der Betrag umfasste die Lohndifferenz für Dezember 2009 (79,30 Euro) und das Urlaubsgeld (271,44 Euro). Des Weiteren enthielt der Klageentwurf auch die Begründung für die Zahlung einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 195,60 Euro. In einem weiteren am 24. März 2010 eingegangenen Schriftsatz kündigte die Antragstellerin auch den entsprechenden Antrag an.
Durch die hier angefochtene Entscheidung verweigerte das Arbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht. Hiergegen richtet sich die „Beschwerde” der Antragstellerin.
Entscheidungsgründe
II.
Die gemäß § 46 Abs. 2 S. 3, § 78 S. 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 S. 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige und als sofortige Beschwerde auszulegende Beschwerde der Antragstellerin vom 16. Dezember 2010 ist teilweise begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO in vollem Umfang abgelehnt.
1. Gemäß § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers besteht und das Prozesskostenhilfegesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt. Der Rechtsstandpunkt des Antragstellers muss aus der Sicht des Gerichts zumindest vertretbar und ein Prozesserfolg unter Berücksichtigung des gegnerischen Prozessvorbringens wahrscheinlich sein (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, ...