Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung eines Strafverfahrens. Ermessensentscheidung des Gerichts
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 149 Abs. 1 ZPO kann das Arbeitsgericht die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung eines Strafverfahrens anordnen, wenn sich im Laufe des Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist; die Entscheidung über eine Aussetzung nach § 149 ZPO unterliegt dem richterlichen Ermessen, das sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen zu halten und an dem gesetzgeberischen Zweck der Vorschrift auszurichten hat.
2. Beschränkt sich der Sachvortrag der Klägerin auf die Darlegung, dass die Aufklärung des Sachverhalts nicht nur durch intensive eigene interne Ermittlungen erfolgt sondern auch durch die ermittelnden Behörden und auch durch die Staatsanwaltschaft und dass sie aufgrund der noch andauernden behördlichen Ermittlungen keine umfassende und zielgerichtete Akteneinsicht nehmen konnte sondern stets auf einzelne Personen und Sachverhalte angewiesen ist, weshalb sie ein abschließendes Bild zum Inhalt und Umfang wettbewerbsbeschränkender Absprachen noch nicht habe gewinnen können, darf das Gericht bei seiner Abwägungsentscheidung berücksichtigen, dass aus seiner Sicht eine Unsicherheit besteht, welche Erkenntnisse aus dem Strafverfahren überhaupt für das arbeitsgerichtliche Verfahren von Relevanz sein können und darauf hinweist, dass für das Gericht sichtbar sein muss, inwieweit der strafrechtsrelevante Verdacht geeignet ist, im Falle seiner Begründetheit Einfluss auf die Sachverhaltsdarstellung im ausgesetzten Verfahren zu nehmen.
3. Eine Aussetzungsentscheidung, die davon getragen ist, einer Partei einen Zeitgewinn zu verschaffen, um die für die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nötigen Tatsachen erst zu gewinnen, überschreitet die Grenzen des richterlichen Ermessens und ist ermessensfehlerhaft.
4. Eine Aussetzung kann dann nicht in Betracht gezogen werden, wenn die Klage bereits aus anderen Gründen abweisungsreif ist und die Aussetzung dazu dienen soll, den zu einer schlüssigen Klagebegründung erst erforderlichen Tatsachenvortrag beizubringen; dabei ist es dem Beschwerdegericht versagt, die Erwägung des Arbeitsgerichts zur aus seiner Sicht gegebenen fehlenden Schlüssigkeit oder ausreichenden Substantiierung im Rahmen der in der Beschwerde nur begrenzten Überprüfungsmöglichkeit des gerichtlichen Ermessens einer eigenen Beurteilung zuzuführen.
5. Es ist auch nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Arbeitsgericht darauf abstellt, dass der Möglichkeit, Auszüge aus der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte im Wege des Urkundenbeweises verwerten zu können, angesichts der nach wie vor möglichen Beweisantritte der Parteien durch Benennung von Zeugen keine durchschlagende Abwägungsrelevanz zukommt.
Normenkette
ZPO § 149
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Entscheidung vom 03.07.2013; Aktenzeichen 3 Ca 2685/12) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den eine Aussetzung des Verfahrens ablehnenden Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 03.07.2013 - 3 Ca 2685/12 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Mit ihrer seit dem 28.12.2012 anhängigen Klage begehrt die Klägerin in der Hauptsache die Feststellung, dass der Beklagte ihr gegenüber im Zusammenhang mit verschiedenen Verfahren, die vor dem Bundeskartellamt und der Staatsanwaltschaft Bochum geführt werden und wettbewerbswidriges Verhalten zum Gegenstand haben, zum Schadensersatz verpflichtet sei. Die Klägerin ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, der Beklagte habe gegen delikts- und kartellrechtliche Vorschriften sowie arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen. Der Beklagte war bei der Klägerin seit 1999 beschäftigt. Er leitete seit März 2002 ein Verkaufsbüro der Klägerin in H1 und sodann ab April 2002 ein Weichenwerk in B1. Das Arbeitsverhältnis endete mit Aufhebungsvertrag vom 28./29.06.2007 zum 30.06.2007. Im Anschluss war der Kläger als Geschäftsführer für die Beklagte tätig. Die Klägerin kündigte das Geschäftsführeranstellungsverhältnis am 10.09.2012 außerordentlich.
Im Mai 2011 erfuhr die Beklagte vor dem Hintergrund eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Bochum, dass der Verdacht wettbewerbsbeschränkender Absprachen bestünde. Seitdem ermittelt sie selbst und kooperiert mit den zuständigen Ermittlungsbehörden des Bundeskartellamtes und der Staatsanwaltschaft Bochum. Vor dem Bundeskartellamt werden Verfahren zu den Aktenzeichen B12-11/11, B12-16/12 und B12-19/12 geführt. Ein weiteres Ermittlungsverfahren ist vor der Staatsanwaltschaft Bochum zum Aktenzeichen 48 Js 3/11 anhängig. Die Klägerin sieht die Verantwortung des Beklagten darin, dass dieser an diversen kartellrechtswidrigen Absprachen beim Vertrieb von Oberbauprodukten, insbesondere von Weichen und Schienen, mitgewirkt und es unterlassen habe, ihm bekannte Rechtsverstöße an die Rechts- und Complianceabteilung zu melden. Dies habe zu wettbeschränkenden Absprachen geführt, ...