Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung im Beschlussverfahren. Freistellungsanspruch. Anwaltskosten. Erforderlichkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts und der Einleitung eines Beschlussverfahrens. Zeitpunkt der Beurteilung der Erforderlichkeit. Fälligkeit des Kostenerstattungs-, Freistellungsanspruchs. Betriebsübergang. Haftung des bisherigen oder des neuen Arbeitgebers. Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten des Betriebsrats im Beschlussverfahren. Erstattung von Anwaltskosten. Haftung des Betriebsübernehmers
Leitsatz (amtlich)
Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsansprüche des Betriebsrats wegen der Einleitung eines Beschlussverfahrens und der Beauftragung eines Rechtsanwalts richten sich auch im Fall eines Betriebsübergangs auf einen neuen Arbeitgeber allein nach § 40 Abs. 1 BetrVG. Der Betriebserwerber haftet nach einem Betriebsübergang für alle noch nicht erfüllten Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsansprüche des Betriebsrats. Eine Haftung des bisherigen Arbeitgebers nach § 613 a Abs. 2 BGB kommt für derartige Ansprüche nicht in Betracht.
Normenkette
BetrVG § 40 Abs. 1; BGB § 613 a; ArbGG § 83 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Paderborn (Entscheidung vom 18.01.2012; Aktenzeichen 2 BV 30/11) |
Tenor
Die Beschwerde der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin sowie die Anschlussbeschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 18.01.2012 - 2 BV 30/11 - werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Gründe
A
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Betriebsrats auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten aus vorangegangenen arbeitsgerichtlichen Verfahren.
Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der fünfköpfige Betriebsrat des Wohnheims H3-J1-Haus am P3.
Das H3-J1-Haus am P3 wurde bis zum 31.12.2010 von der Beteiligten zu 3., der S2 H1 GmbH, betrieben. Neben dem H3-J1-Haus am P3 betreibt das Beteiligte zu 3. weitere Seniorenwohnheim in der Bundesrepublik Deutschland.
Nachdem die Heimaufsicht in der Vergangenheit in der Führung des H3-J1-Hauses am P3 erhebliche Mängel festgestellt hatte, die zu zahleichen Beanstandungen durch die zuständige Heimaufsichtsbehörde geführt hatten, war der Beteiligten zu 3. mit Bescheid des Landrates des Kreises P1 vom 20.08.2010 (Bl. 281 ff. d. A.) der Betrieb des Seniorenwohnheims "H3-J1-Haus am P3" mit Wirkung ab 23.08.2010 untersagt worden. Weiter wurde die Schließung der Einrichtung bis zum 31.12.2010 angeordnet.
Zum 01.01.2011 wurde das Seniorenwohnheim H3-J1-Haus am P3 an die Beteiligte zu 2., die E1 Pflege- und Betreuungszentrum P1 GmbH, aufgrund des Pachtvertrages vom 15.12.2010 (Bl. 177 ff. d. A.) verpachtet. Seither führt die Beteiligte zu 2. das Seniorenwohnheim.
Bereits zuvor hatte es zahlreiche Auseinandersetzungen zwischen dem Betriebsrat und der damaligen Arbeitgeberin, der Beteiligten zu 3., gegeben.
Am 19.08.2010 leitete der Betriebsrat durch seine jetzigen Verfahrensbevollmächtigten gegen die damalige Arbeitgeberin und Beteiligte zu 3. ein Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht Paderborn - 4 BV 56/10 - ein, mit dem der Betriebsrat die Einhaltung und ordnungsgemäße Anwendung der Betriebsvereinbarung über Urlaubsgrundsätze, Urlaubsgewährung und Urlaubsplanung vom 20.01.2010 beanspruchte. Mit Schriftsatz vom 25.02.21011 erweiterte der Betriebsrat das Verfahren gegen die Beteiligte zu 2., die ihrerseits mit Schriftsatz vom 10.05.2011 einen Vergleichsvorschlag übermittelte, dem der Betriebsrat mit Schreiben vom 25.05.2011 zustimmte. Auch die Beteiligte zu 3. stimmte dem Vergleichsvorschlag mit Schriftsatz vom 24.05.2011 zu. Durch Beschluss vom 25.05.2011 stellte das Arbeitsgericht daraufhin nach § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen des Vergleichs fest und teilte den Beteiligten den Wert des Verfahrens und des Vergleichs mit 12.000,00 € mit.
Am 27.08.2010 leitete der Betriebsrat durch seine Verfahrensbevollmächtigten gegen die damalige Arbeitgeberin und Beteiligte zu 3. ein weiteres Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht Paderborn - 4 BV 58/10 - ein, in dem der Betriebsrat von der Arbeitgeberin verlangte, die Betriebsvereinbarung über das Verfahren zur Erstellung und Änderung von Dienstplänen vom 20.01.2010 ordnungsgemäß anzuwenden und insbesondere Dienste nicht einseitig ohne Zustimmung des Betriebsrats zu verändern. Mit Schriftsatz vom 20.02.2011 erweiterte der Betriebsrat das Verfahren gegen die jetzige Beteiligte zu 2., die ihrerseits mit Schriftsatz vom 03.05.2011 einen Vergleichsvorschlag unterbreitete, dem die Beteiligte zu 3. und der Betriebsrat zustimmten. Mit Beschluss vom 20.05.2011 stellte das Gericht das Zustandekommen des Vergleichs fest. Der Wert des Gegenstandes wurde den Beteiligten mit 4.000,00 € mitgeteilt.
Mit Schreiben vom 22.06.2011 (Bl. 15 ff. d. A.) übersandten die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats der Beteiligten zu 3. hinsichtlich des Verfahrens 4 BV 56/10 Arbeitsgericht Paderborn eine Kostenrechnung über 2.214,59 €. Bereits mit Schreiben vom 10.06.2011 (Bl. 17...