Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustellung von Schriftsätzen. Streitgenossenschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Im Prozess von und gegen einfache Streitgenossen im Sinne des § 61 ZPO sind Schriftsätze der Streitgenossen nur dem Gegner, nicht hingegen den weiteren Streitgenossen zuzustellen.

 

Normenkette

ZPO §§ 61, 270

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 29.05.2000; Aktenzeichen 9 Ca 959/99)

 

Tenor

wird der Antrag der Beklagten zu 3), ihren Schriftsatz vom 26.10.2000 auch den weiteren beklagten Streitgenossen – Beklagte zu 1) und 2), 3 bis 10) – zuzustellen, zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten zu 1) bis 10) gesamtschuldnerisch auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von ca. 4.000.000,00 DM wegen strafbarer Manipulationen beim „Black-Jack-Spiel” in den Spielbanken der Klägerin in D……….-H…………… und A…… in Anspruch. Die – jeweils von verschiedenen Verfahrensbevollmächtigten vertretenen – Beklagten wenden sich gegen das Klagebegehren mit teilweise unterschiedlichem tatsächlichen und rechtlichen Vorbringen. Nachdem das Arbeitsgericht das Klagebegehren als unschlüssig mit der Begründung abgewiesen hat, ausreichende Grundlagen für eine Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO seien nicht dargelegt, verfolgt die Klägerin ihr Begehren im Berufungsrechtszuge weiter. Auf die Berufungsbegründung hat die Beklagte zu 3) mit Schriftsatz vom 26.10.2000 erwidert. Sie beantragt die Zustellung ihrer in ausreichender Anzahl eingereichten Berufungserwiderung an die übrigen mitverklagten Streitgenossen und bittet insoweit um eine förmliche Entscheidung.

II.

Die Voraussetzungen für eine Zustellung der Berufungserwiderung der Beklagten zu 3) an die übrigen Beklagten liegen nicht vor, so dass der Antrag ohne Erfolg bleibt.

Die Prozessordnung sieht eine Übersendung bzw. Zustellung von Schriftsätzen grundsätzlich allein an die Prozessbeteiligten vor. Vom Sonderfall der Beteiligung Dritter am Rechtsstreit gemäß § 64 ff. ZPO abgesehen sind am Prozessrechtsverhältnis allein Kläger und Beklagte beteiligt. Das gilt auch für die einfache Streitgenossenschaft auf Kläger- oder Beklagtenseite, welche dazu führt, dass mehrere eigenständige Prozessrechtsverhältnisse begründet werden, welche allein in einem Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung, Beweisaufnahme und Entscheidung verbunden sind (vgl. statt aller Thomas/Putzo, 22. Auflage, vor § 59 ZPO Rz. 1). Anders als bei der notwendigen Streitgenossenschaft gemäß § 62 ZPO, welche aus prozessualen oder materiellrechtlichen Gründen eine einheitliche Entscheidung gegenüber sämtlichen Streitgenossen erfordert, stehen bei der einfachen Streitgenossenschaft dem Gegner die Streitgenossen grundsätzlich allein gegenüber (§ 61 ZPO). Das Verfahren eines jeden Streitgenossen ist vom Verfahren des anderen Streitgenossen inhaltlich unabhängig, insbesondere ist es jedem beklagten Streitgenossen freigestellt, ob und mit welchem Tatsachenvortrag und welchen Rechtsansichten er den Klageanspruch abwehren will (statt aller: Thomas/Putzo a. a. O. § 61 ZPO Rz. 1; Zöller/Vollkommer 21. Auflage § 61 ZPO Rz. 8). Allein für die Terminsladung schreibt § 63 ZPO im Interesse einer einheitlichen Verfahrensgestaltung eine Ladung sämtlicher Streitgenossen vor.

Für Zustellungen im Prozess von oder gegen Streitgenossen enthält die gesetzliche Regelung keine besonderen Vorschriften. Damit bleibt es bei dem Grundsatz, dass Zustellungen allein an den bzw. die gegnerische(n) Prozesspartei(en) zu erfolgen haben. Soweit Schilken (MK-Schilken, § 63 ZPO Rz. 4; ähnlich Musielak/Weth § 63 ZPO Rz. 2) eine Analogie zu § 63 ZPO ziehen will und eine Zustellung an sämtliche Streitgenossen für geboten hält, „soweit nicht … lediglich der einzelne Streitgenosse betroffen ist”, dürfte auch hier allein die Zustellung an die Gegenseite, nicht hingegen die Zustellung unter den Streitgenossen gemeint sein. Anders als die Ladung sämtlicher Streitgenossen betrifft die Zustellung nämlich nicht den äußerlich einheitlichen Prozessablauf, sondern das Prozessrechtsverhältnis zum Gegner. Im Übrigen ist vom Schriftsatz eines Streitgenossen ohnehin nur der Gegner, nicht jedoch ein anderer Streitgenosse „betroffen”.

Allein das tatsächliche Interesse, die übrigen Streitgenossen über den eigenen Prozessvortrag zu informieren (um im Gegenzuge entsprechende Informationen zu erhalten), findet in der Prozessordnung keine Berücksichtigung. Wollen die Streitgenossen sich auf eine gemeinsame Linie verständigen, mag dies zur Gründung einer Interessengemeinschaft und/oder zur Beauftragung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten führen, so dass auf diesem Wege rein tatsächlich eine einheitliche rechtliche Beurteilung gegenüber sämtlichen Streitgenossen erreicht wird. Zu einer solchen außerprozessualen „Verteidigungs-Gemeinschaft” haben sich die Beklagten hier jedoch nicht zusammengefunden. Auch der Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs gebietet nicht die wechselseitige Zustellung von Schriftsätzen unter Streitgenossen. Vielmehr beschränkt sich der Anspruch auf rechtliches ...

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