Rechtsbeschwerde zurückgewiesen 26.10.2009

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Verhandlung. Gültigkeit einer Rechtsnorm. verwaltungsgerichtliches Verfahren. Vorgreiflichkeit. sofortige Beschwerde

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 148 ZPO kann das Gericht die Aussetzung der Verhandlung über einen bei ihm anhängigen Rechtsstreit bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits anordnen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand des anderweitig anhängigen Rechtsstreits bildet. Die Aussetzung der Verhandlung setzt damit neben der zu treffenden Ermessensentscheidung Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtsstreit zu treffenden Entscheidung im Sinn einer zumindest teilweise präjudiziellen Bedeutung voraus.

2. Die Aussetzung eines Verfahrens ist möglich, wenn die Entscheidung in dem einen Rechtsstreit die Entscheidung des anderen rechtlich beeinflussen kann. Wird in einem anderen Verfahren lediglich eine Rechtsfrage beantwortet, die vom Arbeitsgericht in eigener Zuständigkeit als Vorfrage zu entscheiden ist, fehlt es an einem Aussetzungsgrund.

 

Normenkette

ZPO §§ 148, 78; BriefArbbV

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Beschluss vom 23.02.2009; Aktenzeichen 4 Ca 274/09)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 26.10.2009; Aktenzeichen 3 AZB 24/09)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 23.02.2009 – 4 Ca 274/09 – aufgehoben.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 218,– EUR.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Aussetzung der von ihm beim Arbeitsgericht Dortmund anhängig gemachten Lohnklage.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit Mai 2006 als Briefzusteller tätig. Die Beklagte ist die Tochtergesellschaft eines niederländischen Express- und Briefdienstleistungsunternehmens. Sie ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste. Sie hat mit der Christlichen Gewerkschaft Postservice und Telekommunikation (CGPT) einen zum 01.08.2008 in Kraft getretenen Haustarifvertrag geschlossen. Der Kläger erhält auf dieser Grundlage eine monatliche Bruttovergütung von 1.137,50 EUR, berechnet nach einer Arbeitszeit von 35 Wochenstunden und einem tariflichen Stundenlohn von 7,50 EUR.

Mit seiner Klage macht der Kläger Lohndifferenzen für die Monate September bis November 2008 geltend. Er vertritt die Ansicht, ihm stehe gemäß § 3 des zwischen dem Arbeitgeberverband Postdienste e.V. und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen Tarifvertrages vom 29.11.2007 über Mindestlöhne für die Branche Briefdienstleistungen in Verbindung mit der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28.12.2007 (im Folgenden: BriefArbbV) ein Bruttostundenlohn von 9,80 EUR zu.

Die Beklagte meint unter Berufung auf die Entscheidung des VG Berlin vom 07.03.2008 – 4 A 439.07 – und der nachfolgenden Berufungsentscheidung des OVG Berlin-Brandenburg vom 18.12.2008 – 1 B 13.08 -, die BriefArbbV sei in Gänze rechtsunwirksam, so dass sie nicht verpflichtet sei, einen Mindestlohn von 9,80 EUR an den Kläger zu zahlen. Die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg ist nicht rechtskräftig. Das Revisionsverfahren ist beim Bundesverwaltungsgericht zum Aktenzeichen 8 C 19.09 anhängig.

Dem Antrag der Beklagten, den Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorbezeichneten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auszusetzen, hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 23.02.2009 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sei ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 148 ZPO. Dieses bestehe zwischen dem Verordnungsgeber und den in der Briefdienstleistungsbranche tätigen Arbeitgebern, also auch der Beklagten. Die Beklagte sei ein tarifgebundenes Unternehmen. Die BriefArbbV wirke hoheitlich auf die privatrechtlichen Tarifvereinbarungen ein. Mit der Verordnung werde die Überlagerung der Tarifverträge, die die Beklagte abgeschlossen habe, durch einen anderen Tarifvertrag bezweckt. Die Beklagte sei dem Verordnungsgeber gegenüber zur Normbefolgung verpflichtet. Diese Verpflichtung entfalle, wenn die Rechtsansicht des OVG Berlin-Brandenburg bestätigt werde, die BriefArbbV sei nichtig. Dies habe zur Folge, dass die Verordnung nicht mehr anzuwenden sei, womit auch die Anspruchsgrundlage für die Klageforderung entfalle. Zwar sei das Arbeitsgericht nicht gehindert, die Wirksamkeit der Verordnung inzident zu prüfen. Insbesondere zur Wahrung widersprüchlicher Entscheidungen in verschiedenen Rechtswegen erscheine es auch aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsordnung angemessen, den Ausgang des Rechtsstreits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren abzuwarten.

Gegen den ihm am 26.02.2009 zugestellten und wegen seiner weiteren Einzelheiten in Bezug genommenen Beschluss hat der Kläger mit am 03.03.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz sofort...

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