Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschlussverfahren. einstweilige Verfügung. Anspruch des Betriebsrats auf Hinzuziehung eines Sachverständigen

 

Leitsatz (redaktionell)

In dringenden Fällen kann der Betriebsrat die fehlende Zustimmung des Arbeitgebers zur Hinzuziehung eines Sachverständigen auch im einstweiligen Verfügungsverfahren ersetzen lassen.

 

Normenkette

ArbGG § 85 Abs. 2; ZPO §§ 935, 940; BetrVG § 80 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Herford (Beschluss vom 19.12.2007; Aktenzeichen 1 BVGa 5/07)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 19.12.2007 – 1 BVGa 5/07 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten im Wege der einstweiligen Verfügung über einen Anspruch des Betriebsrats auf Hinzuziehung eines Sachverständigen.

Die Arbeitgeberin stellt in ihrem Betrieb in S1 Staubsauerbeutel her. Die ursprüngliche Mitarbeiterzahl von ca. 400 war im Sommer 2006 auf ca. 200 Mitarbeiter gesunken. Im Betrieb ist ein siebenköpfiger Betriebsrat gebildet.

Am 20.09.2006 schlossen die Beteiligten einen Interessenausgleich und Sozialplan (Bl. 6 ff.d.A.). Nach § 4 des Interessenausgleichs war der Abbau von weiteren ca. 100 Arbeitskräften in allen Bereichen vorgesehen.

In § 4.9 des Interessenausgleichs war folgendes festgelegt:

„Die Zahl der verbleibenden Arbeitsplätze nach Ziffern 4.1. und 4.2. steht allerdings unter dem Vorbehalt einer Volumenannahme absehbar in 2007 von 80 Mio Beuteln im MPVV-Bereich. Sollte sich diese Annahme nicht erfüllen, sind weitere Arbeitsplätze gefährdet. Soweit ein weiterer Personalabbau in der Größenordnung einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 BetrVG bis zum 31.12.2007 damit verbunden ist, bedarf die Maßnahme der erneuten Beteiligung des Betriebsrates. Soweit der weitere Personalabbau nicht in der Größenordnung einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 BetrVG erfolgt, werden die bis zum 31.12.2007 durch einen Kündigungsausspruch betroffenen Arbeitnehmer nach den Regelungen des Sozialplans vom 20.09.2006 behandelt.”

Das für das Jahr 2007 vorgesehene Volumen von 80 Mio. Staubsauerbeuteln konnte nicht erreicht werden. Die tatsächliche Produktionszahl des Jahres 2007 belief sich auf lediglich 57 Mio. produzierter Staubsaugerbeutel.

Die Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat daraufhin am 31.08.2007 mit, dass ein weiterer Personalabbau notwendig sei. Der weitere geplante Personalabbau wurde am 16.10.2007 mit insgesamt 18 Mitarbeitern angegeben, auf die einzelnen Abteilungen bezogen dargelegt und dem Betriebsrat näher erläutert (Bl. 24, 25 f.d.A.).

Der Betriebsrat machte wegen der Abteilungen MPVV und Verpackung am 05.11.2007 eine Gegenrechnung auf, nach der er zu einer geringeren Zahl notwendiger Entlassungen kam (Bl. 27 f.d.A.).

Die wegen des Personalabbaus mit dem Betriebsrat geführten Verhandlungen vom 18.10.2007, 05.11.2007 und 14.11.2007, deren Gegenstand auch Überlegungen zum freiwilligen Ausscheiden von Mitarbeitern sowie zur Nutzung des vorhandenen LKW-Verkehrs waren, blieben erfolglos.

Am 16.11.2007 fasste der Betriebsrat den Beschluss, wegen Fehlens des erforderlichen Fachwissens als Sachverständige Frau A2 R2 von der E2-C1 GmbH als externe Sachverständige hinzuzuziehen. Dies teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 20.11.2007 (Bl. 30 d.A.) mit. Mit Schreiben vom 22.11.2007 (Bl. 31 d.A.) erklärte die Arbeitgeberin das Scheitern der Verhandlungen und teilte mit, dass sie die Einsetzung einer Einigungsstelle beantragen werde. Gleichzeitig lehnte sie die Hinzuziehung eines Sachverständigen ab und wies darauf hin, dass die vorgelegten Berechnungen zum Personalabbau jederzeit nochmals durch den Werkmeister S5 erläutert werden könnten. Auf der Betriebsratssitzung vom 05.12.2007 fasste der Betriebsrat daraufhin den Beschluss zur Einleitung eines Beschlussverfahrens zwecks Hinzuziehung eines Sachverständigen gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG. Zugleich wurde beschlossen, seinen Verfahrensbevollmächtigten mit der Einleitung des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens zu beauftragen (Bl. 85 ff.d.A.).

Der Betriebsrat leitete daraufhin am 11.12.2007 das vorliegende Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht ein.

Zuvor hatte die Arbeitgeberin bereits am 26.11.2007 beim Arbeitsgericht die Einsetzung einer Einigungsstelle beantragt. Diesem Antrag wurde durch Beschluss des Arbeitsgerichts vom 21.12.2007 – 1 BV 33/07 Arbeitsgericht Herford – stattgegeben. Gegen diesen Beschluss haben beide Beteiligte Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt – 13 TaBV 6/08 Landesarbeitsgericht Hamm –, über die noch nicht entschieden ist.

Unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung (Bl. 29 d.A.) hat der Betriebsrat die Auffassung vertreten, er habe gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG einen Anspruch auf Hinzuziehung eines Sachverständigen, da dies zur Plausibilitätsprüfung der Planung weiterer Entlassungen erforderlich sei. Er, der Betriebsrat, habe bei Prüfung der von der Arbeitgeberin vorgelegten Unterlagen festgestellt, dass er die notwendige Sachkunde zur Beur...

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