Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsstellenbesetzung. offensichtliche Unzuständigkeit. ausreichende vorherige Verhandlungen. Verbrauch des Mitbestimmungsrechts. Reichweite des Offensichtlichkeitsmaßstabes. Streit über Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats oder des Einzelbetriebsrats. Beteiligung des GBR
Leitsatz (amtlich)
Im Einigungsstellenbesetzungsverfahren nach § 98 ArbGG gilt der Offensichtlichkeitsmaßstab für alle im Bestellungsverfahren zu entscheidenden Fragen, auch für die Frage der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats oder des Einzelbetriebsrats.
Normenkette
ArbGG § 83 Abs. 3, § 98; BetrVG § 50 Abs. 2, § 77 Abs. 1, 6, § 87 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Beschluss vom 05.02.2010; Aktenzeichen 6 BV 6/10) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 05.02.2010 – 6 BV 6/10 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
A
Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.
Die Arbeitgeberin ist ein Tochterunternehmen der D2 T1 AG. Sie erbringt für diese im Wesentlichen Callcenterleistungen. Nach § 3 des Zuordnungstarifvertrages vom 28.04.2008 besteht sie aus acht regionalen Betrieben, unter anderem dem Betrieb N2, in dem ca. 2000 Mitarbeiter beschäftigt sind. In diesem Betrieb N2 ist ein Betriebsrat gewählt, der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens.
Die Betriebsparteien streiten seit längerem um Regelungen zur Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit.
Die Arbeitgeberin hatte insoweit sämtliche bestehenden Betriebsvereinbarungen im Betrieb N2 zum Thema Arbeitszeit gekündigt. Daraufhin verhandelten seit Anfang des Jahres 2009 die Arbeitgeberin und der antragstellende Betriebsrat über Neuregelungen zur Arbeitszeit.
Diese Verhandlungen wurden abgebrochen, weil die Arbeitgeberin eine Einigungsstelle zur Regelung der Arbeitszeiten mit dem im Unternehmen der Arbeitgeberin gebildeten Gesamtbetriebsrat als Betriebspartner einsetzen ließ. Zum Vorsitzenden dieser Einigungsstelle wurde der Richter am Bundesarbeitsgericht K6 bestellt.
Im Rahmen dieser Einigungsstellenverhandlungen wurde die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Arbeitszeitregelungen streitig behandelt. Durch schriftlichen Hinweis vom 29.07.2009 (Bl. 72 ff. d. A.) brachte der Einigungsstellenvorsitzende zum Ausdruck, dass nach seiner Auffassung wegen der vorliegenden Besonderheiten der Gesamtbetriebsrat für den Abschluss der „Betriebsvereinbarung Schicht” zuständig sei.
Das Einigungsstellenverfahren endete am 20.11.2009 durch einen Spruch über die Verteilung der Arbeitszeit in den betriebsübergreifenden Tätigkeitsbereichen – im Folgenden: „GBV Schicht” – (Bl. 25 ff., 28 ff. d. A.).
Der Gesamtbetriebsrat focht diesen Spruch gerichtlich an. Das Anfechtungsverfahren ist beim Arbeitsgericht Bonn – 3 BV 108/09 – anhängig. Erster Anhörungstermin vor der Kammer war für den 25.03.2010 anberaumt.
Unter den Regelungsbereich der GBV Schicht fallen im Betrieb N2 ca. 980 Mitarbeiter.
Bereits am 17.12.2009 kündigte der Gesamtbetriebsrat die durch Spruch der Einigungsstelle zustande gekommene GBV Schicht, die zum 01.02.2010 in Kraft getreten war.
Nach Beendigung des Einigungsstellenverfahrens mit dem Gesamtbetriebsrat forderte der antragstellende Betriebsrat die Arbeitgeberin auf, in Fragen der Arbeitszeit mit ihm zu verhandeln. Dies lehnte die Arbeitgeberin auf der Betriebsratssitzung vom 11.01.2010 jedenfalls insoweit ab, als es die von der GBV Schicht erfassten Mitarbeiter betraf.
Daraufhin leitete der Betriebsrat am 27.01.2010 beim Arbeitsgericht das vorliegende Beschlussverfahren ein.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die einzusetzende Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Hinsichtlich der Verteilung der täglichen Arbeitszeit stehe ihm ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu. Der Gesamtbetriebsrat sei insoweit nicht nach § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständig. Eine Bevollmächtigung der örtlichen Betriebsräte an den Gesamtbetriebsrat habe es nicht gegeben. Eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats in Arbeitszeitfragen komme nur ausnahmsweise in Betracht, etwa wenn andernfalls technisch untragbare Störungen einträten. Derartige technische untragbare Störungen würden auch bei einer Regelung der Arbeitszeitfragen durch die örtlichen Betriebsräte nicht auftreten. Weder Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte noch ökonomische Überlegungen seien geeignet, von der zwingend gesetzlich vorgesehenen Zuständigkeit der örtlichen Betriebsräte abzuweichen. Eine zentralisierte Regelung durch den Gesamtbetriebsrat führe im Übrigen zu Nachteilen für die örtlichen Betriebsräte und die von ihnen repräsentierten Beschäftigten. In einer Gesamtbetriebsvereinbarung könnten örtliche Gegebenheiten nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Die Verhandlungen seien auch durch die Arbeitgeberäußerungen auf der Betriebsratssitzung vom 11.01.2010 gescheitert. Die Verhandlungsbereitschaft der Arbeitgeberin über diejenigen Mitarbeiter, die nicht von der GBV Schicht erfasst seien, reiche nicht aus. Dem...