Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstandswert. Streitwert. einstweilige Verfügung. Unterlassung. Unterlassungsanspruch. Betriebsänderung. Versetzung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einer Betriebsänderung in Form eines Personalabbaus orientiert sich die Wertfestsetzung an den Zahlenwerken des § 17 Abs. 1 KSchG. Dabei sind für den Grundfall von sechs Entlassungen mit dem Auffangwert des § 23 Abs. 3 S. 2 Hs 2 RVG in Höhe von 4.000 EUR und pro weiterem Arbeitnehmer ein Teilwert von 666,67 EUR (4000 EUR: 6) in Ansatz zu bringen.
2. Soll die beabsichtigte Betriebsänderung „nur” zu Veränderungen in unstreitig fortbestehenden Arbeitsverhältnissen führen, betriebsverfassungsrechtlich also keine Entlassungen, sondern allenfalls Versetzungen i.S.v. § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG beabsichtigt sein, ist das vom Betriebsrat verfolgte Interesse, seine Beteiligungsrechte gewahrt zu wissen, wegen der geringeren Bedeutung regelmäßig mit der Hälfte der für Entlassungen angenommenen Werte einzustufen.
Normenkette
RVG §§ 23, 33; BetrVG § 95 Abs. 3 S. 1, § 111; KSchG § 17
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Beschluss vom 15.11.2007; Aktenzeichen 3 BVGa 8/07) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates – unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen – wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 15.11.2007 – 3 BVGa 8/07 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 13.666,55 EUR festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Tatbestand
A.
Im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens hat der Betriebsrat in der Hauptsache verlangt, die Arbeitgeberin solle es unterlassen, den Bereich Fahrdienst mit 41 Beschäftigten auszugliedern und in einen anderen Betrieb einzugliedern, hilfsweise die betroffenen Arbeitnehmer zu versetzen, äußerst hilfsweise das Direktionsrecht einer anderen Betriebsleitung zu übertragen. Nach einer außergerichtlichen Einigung wurden die Anträge zurückgenommen.
Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 15.11.2007 den Gegenstandswert auf 4.000,00 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich deren Beschwerde, mit der sie begehren, einen Gegenstandswert in Höhe von 27.306,00 EUR (= 666,00 EUR × 41) zu bestimmen.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
B.
Die gemäß § 33 RVG zulässige (befristete) Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates ist in dem aus den Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen war sie als unbegründet zurückzuweisen.
Bei der Bemessung des Gegenstandswertes ist von § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz RVG auszugehen. Danach ist der Gegenstandswert auf 4.000,00 EUR, je nach Lage des Falles aber auch niedriger oder höher bis zu 500.000,00 EUR anzunehmen, sofern es sich um nichtvermögensrechtliche Gegenstände handelt. Hiervon ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren immer dann auszugehen, wenn um das Bestehen und die Beachtung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte gestritten wird, weil die Begehren weder auf Geld noch auf eine geldwerte Leistung gerichtet sind und auch ihre Grundlage nicht in einem Verhältnis haben, dem ein Vermögenswert zukommt (BAG NZA 2005, 70; LAG Hamm LAGE Nr. 50 zu § 8 BRAGO § 8; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rdn. 169, 181, 266).
Hier liegt eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit vor, weil es dem Betriebsrat um die Wahrung der Beteiligungsrechte im Rahmen einer von ihm angenommenen Betriebsänderung gemäß § 111 f. BetrVG ging.
Die danach einschlägige Auffangvorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz RVG mit ihrem außerordentlich weiten Bewertungsrahmen und dem Hilfswert in Höhe von derzeit 4.000,00 EUR stellt die Rechtsprechung vor die Aufgabe, die im Beschlussverfahren in Frage kommenden Streitgegenstände in ein Bewertungssystem einzubinden, das falladäquate Abstufungen zulässt und zugleich tragenden Grundsätzen des Arbeitsgerichtsprozesses ausreichend Rechnung trägt; erforderlich ist die Herausarbeitung typisierender Bewertungsgrundsätze, um zu einer gleichförmigen und damit den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrenden Rechtsanwendung zu gelangen (LAG Hamm EzA Nr. 70 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; Schneider, Anm. zu BAG EzA Nr. 36 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; GK-ArbGG 1979 Streitwert; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rdn. 132 b, 264).
Maßgeblich ist allerdings immer die „Lage des Falles”; es bedarf also einer auf die konkreten Umstände des einzelnen Verfahrens abgestellten Wertfestsetzung.
Was die maßgeblichen Einzelfallumstände angeht, kann auf die vergleichbare Regelung zur Bewertung nichtvermögensrechtlicher Streitigkeiten in § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zurückgegriffen werden, wonach es vor allem auf die Bedeutung der Angelegenheit und daneben auf den Umfang sowie die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ankommt (vgl. BVerfG NJW 1989, 2047; siehe auch § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG).
Mit der Bedeutung der Angelegenheit als Ausgangspunkt der Bewertung ist...