Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Beteiligungsrecht des Gesamtbetriebsrats an Nichtigkeitsfeststellung der Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat. Nichtigkeit der Wahl bei fehlendem Statusverfahren nach AktG

 

Leitsatz (amtlich)

1. In einem Beschlussverfahren gerichtet auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat, das hilfsweise auch die Wahlanfechtung umfasst, ist der Gesamtbetriebsrat, der nicht selbst Antragsteller ist, gem. § 83 Abs. 3 ArbGG nicht zu beteiligen.

2. Die unterbliebene Durchführung des Statusverfahrens gem. § 27 EGAktG i.V.m. §§ 97, 98 AktG führt zur Nichtigkeit der Wahl (Anschluss an BAG v. 16.04.2008, 7 ABR 6/07), wobei es nicht darauf ankommt, dass ein Streit oder eine Ungewissheit i.S.d. § 98 Abs. 1 AktG erst nach Einleitung der Wahl entstanden ist.

 

Normenkette

ArbGG § 83 Abs. 3; MitbestG §§ 22, 6 Abs. 2 S. 1; AktG §§ 97-98; ArbGG § 83a Abs. 3; EGAktG § 27

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 02.03.2021; Aktenzeichen 2 BV 60/19)

 

Tenor

  1. Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 02.03.2021 - 2 BV 60/19 - wird als unzulässig verworfen.
  2. Die Beschwerde der Beteiligten zu 9., 10. und 11. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 02.03.2021 - 2 BV 60/19 - wird zurückgewiesen.
  3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der am 30./31.07.2019 durchgeführten Wahl der Arbeitnehmer zum Aufsichtsrat der Beteiligten zu 4.

Die zu 4. beteiligte Gesellschaft mit beschränkter Haftung erbringt Call-Center-Dienstleistungen. Sie ist ein Tochterunternehmen der A Germany GmbH, mit der seit 2015 ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen ist. Neben der Beteiligten zu 4. war weiteres Tochterunternehmen der A Germany GmbH die A1 GmbH. Sowohl die Beteiligte zu 4. als auch die A1 GmbH unterhielten mehrere Betriebe in Deutschland; neben der Errichtung von Gesamtbetriebsräten war ein Konzernbetriebsrat aufgestellt. Aufgrund eines Verschmelzungsvertrages vom 09.07.2018 ist die Beteiligte zu 4. als übernehmender Rechtsträger mit der A1 GmbH verschmolzen; die handelsregisterliche Eintragung erfolgte am 20.08.2018. Seit dieser Zeit ist ein Konzernbetriebsrat nicht mehr eingerichtet; ein Gesamtbetriebsrat bei der Beteiligten zu 4. besteht weiter.

Unter dem 15.05.2018 fasste der Gesamtbetriebsrat der damaligen A1 GmbH den Beschluss, den seinerzeitigen Geschäftsführer der A1 GmbH aufzufordern, die Wahl eines Aufsichtsrates für die A1 nach den Bestimmungen des Drittelbeteiligungsgesetzes einzuleiten. Auf die E-Mail Blatt 281 der Akte wird Bezug genommen.

Mit Bekanntmachung vom 21.11.2018 informierte die Beteiligte zu 4. die Beschäftigten darüber, dass ein Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz zu wählen sei (Kopie Bl. 222 d.A.). Die Satzung der Beteiligten zu 4. sieht die Errichtung eines Aufsichtsrates nicht vor.

Zum Zeitpunkt der Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens unterhielt die Beteiligte zu 4. sieben Standorte in Deutschland; nach Abschluss von Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen wurde der Betrieb in C ab 01.09.2019 stillgelegt.

Zuvor wurde im Januar 2019 ein Unternehmenswahlvorstand und in den Betrieben der Beteiligten zu 4. die jeweiligen Betriebswahlvorstände gebildet. Mit Datum vom 25.01.2019 wurden durch die Betriebswahlvorstände in den Betrieben der Beteiligten zu 4. die Bekanntmachungen über die Einreichung von Wahlvorschlägen ausgehängt. Hierin war vermerkt, dass nach den Regeln des Mitbestimmungsgesetzes sechs Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer zu wählen seien. Als Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen wurde der 08.03.2019, 18:00 Uhr, bestimmt. Mit weiterem Aushang vom gleichen Tage machten die Betriebswahlvorstände die Art der Wahl bekannt. In diesem Aushang führte der Unternehmenswahlvorstand aus, dass Voraussetzung für die Beschlussfassung über einen Antrag auf eine Wahl durch Delegierte eine Beteiligung von mindestens der Hälfte der Wahlberechtigten an der Abstimmung sei und nannte als Zahl hierfür 1190 Wahlberechtigte. Ebenfalls am 25.01.2019 hängten die Betriebswahlvorstände auf Anweisung des Unternehmenswahlvorstandes eine Bekanntmachung über die Abstimmung für den Wahlvorschlag der leitenden Angestellten aus. Dort wurde als Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen eine Frist bis zum 08.02.2019, 18:00 Uhr, gesetzt. Wegen der Einzelheiten der Aushänge vom 25.01.2019 wird auf die Kopien Blatt 17 ff. der Akte Bezug genommen.

Ein ehemaliger Mitarbeiter des Betriebes B, der zum Zeitpunkt der Einreichung des vorliegenden Antrags auf Einleitung des Beschlussverfahrens beteiligt war und demgegenüber das Verfahren nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erstinstanzlich eingestellt worden ist, reichte beim Unternehmenswahlvorstand zunächst eine Vorschlagsliste "Liste D" ein, hinsichtlich derer Zweifel aufkamen, ob sie den gesetzlichen Anforderungen genügte. Auf eine entsprechende...

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