Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Weiterbeschäftigungstitel
Leitsatz (redaktionell)
Auch wenn der Arbeitgeber erstmals in der Berufungsinstanz zumindest hilfsweise einen auf § 9 Abs. 1 S. 1, S. 2 KSchG gestützten Auflösungsantrag stellt, der zu einer neuen Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führt und deshalb ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung begründet, ist gleichwohl seinem Begehren auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht zu entsprechen, wenn ausnahmslos alle Tatsachen, die arbeitgeberseits vorgebracht worden sind, um zu dokumentieren, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten ist, bereits dem erstinstanzlichen Gericht bei seiner Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag vorlagen.
Normenkette
ArbGG § 62; KSchG § 9; ZPO §§ 707, 719
Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 15.01.2015; Aktenzeichen 4 Ca 1219/14) |
Tenor
Der Antrag des Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Tenor zu Ziffer 2. des Teilurteils des Arbeitsgerichts Hagen vom 15.01.2015 - 4 Ca 1219/14 - einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.
Gründe
Der Antrag des Beklagten,
die Zwangsvollstreckung aus dem Tenor zu Ziffer 2) des Teilurteils des Arbeitsgerichts Hagen vom 15.01.2015 einstweilen einzustellen,
war zurückzuweisen.
Im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren ist, namentlich auch bei der Einlegung einer Berufung wie hier, die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 62 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG und § 719 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 707 ZPO ausnahmsweise nur dann gerechtfertigt, wenn die Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil dem Schuldner einen unersetzlichen Nachteil bringen würde.
Die genannte Voraussetzung kann u.a. dann erfüllt sein, wenn der Arbeitgeber in einem Kündigungsschutzverfahren erstinstanzlich zur Weiterbeschäftigung verurteilt worden ist und anschließend in der Berufungsinstanz einen auf § 9 Abs. 1 Satz 2, Satz 1 KSchG gestützten Auflösungsantrag stellt, der zu einer (neuen) Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führt und deshalb ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung begründet (BAG, 16.11.1995 - 8 AZR 864/93 - AP Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX Nr. 54; LAG Hamm, 21.12.2010 - 18 Sa 1827/10 - [...]).
In dem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass bei der erstinstanzlichen Entscheidung über eine beantragte Weiterbeschäftigung alle bis zum Urteilszeitpunkt dem Arbeitsgericht vorliegenden Erkenntnisse im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen sind. So hat bereits der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem grundlegenden Beschluss vom 27.02.1985 (GS 1/84 - AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14) betont, dass trotz eines die Unwirksamkeit der Kündigung feststellenden Instanzurteils besondere Umstände dazu führen können, dass ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers daran besteht, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen. In einer solchen besonderen Konstellation müsste dann "nur" der Weiterbeschäftigungsantrag abgewiesen werden.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist es trotz des erstmals in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellten Auflösungsantrags des Beklagten nicht gerechtfertigt, die Zwangsvollstreckung aus dem Weiterbeschäftigungstitel einzustellen. Denn ausnahmslos alle Tatsachen, die insoweit arbeitgeberseits vorgebracht werden, um zu dokumentieren, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten ist (§ 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG), lagen bereits dem erstinstanzlichen Gericht bei seiner Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag vor. Insoweit ist das Arbeitsgericht unter C. III. 2. der Gründe zu dem Ergebnis gelangt, Gesichtspunkte für ein besonderes Interesse des Beklagten, "dennoch" keine Weiterbeschäftigung vornehmen zu müssen, seien nicht substantiiert unter Beweisantritt vorgetragen worden.
Vor diesem Hintergrund kann, um den Sinn eines Weiterbeschäftigungstitels nicht zu konterkarieren (vgl. LAG Baden-Württemberg, 22.03.2006 - 13 Sa 22/06 - [...]), für den Beklagten kein unersetzlicher Nachteil (allein) daraus resultieren, dass er bei unveränderten Begründungstatsachen gut drei Wochen später darauf einen Auflösungsantrag stützt, ohne dass erkennbar ist, warum sich die vom Arbeitsgericht bereits vorgenommene umfassende Interessenabwägung schon kurze Zeit später (ausnahmsweise) wieder anders darstellen soll.
Fundstellen