Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahren wegen Festsetzung des Streitwerts. Künftige wiederkehrende Leistungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Unter Berücksichtigung des sozialen Schutzzwecks des § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG ist ein Zahlungsantrag auf künftig wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit einem Bestandsschutzstreit lediglich mit einem Monatsentgelt des Arbeitnehmers zu bewerten. Die anderslautende Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Hamm zur Bewertung des Anspruchs auf künftig wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit einer Bestandsschutzklage wird ausdrücklich aufgegeben.

 

Normenkette

ArbGG § 12 Abs. 7 Sätze 1-2; ZPO § 257 ff.

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Beschluss vom 06.12.2000; Aktenzeichen 3 Ca 3475/00)

ArbG Herne (Beschluss vom 30.11.2000)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen der Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 30.11.2000 teilweise abgeändert.

Der Streitwert wird auf Euro 8.634,95 festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

I

Mit Klageschrift vom 20.10.2000 wendete sich die Klägerin, welche drei Jahre in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden hatte, gegen die Wirksamkeit einer später mit Wirkung zum 30.09.2000 vereinbarten Befristung. Mit Schriftsatz vom 27.11.2000, beim Arbeitsgericht eingegangen am 20.10.2000, erweiterte die Klägerin die Klage mit folgendem Antrag:

„Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit ab 01.10.2000 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses jeweils monatlich bei Fälligkeit die vertraglich geschuldete Arbeitsvergütung von 3.377,70 DM jeweils bis zum 5. des Folgemonats – beginnend mit dem 05.11.2000 für den Monat Oktober 2000 – zu zahlen.”

Zur Begründung dieses Antrags hat die Klägerin abschließend vorgetragen:

Sie habe nach Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Vergütungsfortzahlung über den 30.09.2000 hinaus. Die Zulässigkeit des Klageantrages ergebe sich aus §§ 257 bis 259 ZPO, da die Beklagte spätestens mit Schriftsatz vom 02.11.2000 deutlich gemacht hätte, dass sie davon ausgehe, dass derzeit kein Arbeitsvertrag mehr bestehe und sie infolgedessen keine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen mehr zu erfüllen habe.

Zusätzlich hat die Klägerin den Streitwert wie folgt angegeben:

„Klageantrag zu 1.: 3 × 3.377,70 DM (§ 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG) Klageantrag zu 2.: 36 × 3.377,70 DM (§ 12 Abs. 7 S. 2 ArbGG)”

Der Rechtsstreit endete durch Vergleich vom 30.11.2000. Mit Beschluss vom selben Tag hat das Arbeitsgericht den Streitwert auf DM 131.730,00 festgesetzt und dabei das vorgetragene Rechenwerk übernommen. Gegen diese Festsetzung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.12.2000

Streitwertbeschwerde

eingelegt und sich auf die Höchstgrenze des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG bezogen; später hat sie geltend gemacht, bei der Bewertung des Zahlungsantrags sei höchstens von der voraussichtlichen Dauer einer Instanz (6 Monate) auszugehen. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt: Eine Streitwertfestsetzung auf drei Bruttomonatsgehälter ließe unberücksichtigt, dass zugleich ein Antrag auf Zahlung künftiger Gehälter anhängig gemacht worden sei. Ein solcher Antrag sei nach § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG mit dem 36fachen Wert der wiederkehrenden Leistung zu berücksichtigen. § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG sei in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, in denen ein Antrag auf Zahlung künftiger Leistungen eingebracht worden sei, nicht analog anzuwenden; hierfür sei wegen des klaren Wortlauts der gesetzlichen Regelung kein Raum.

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin beantragen im eigenen Namen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin tragen vor:

Die allmonatlich fällig werdenden Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers stellten wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG dar. Die Landesarbeitsgerichte des Landes Nordrhein-Westfalen, das Beschwerdegericht eingeschlossen, hätten bislang entsprechend entschieden. Der Streitwert des Zahlungsantrags sei nicht in analoger Anwendung des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG zu ermitteln. Der Gesetzgeber habe insoweit nur für den Anspruch auf Zahlung einer Abfindung eine entsprechende Regelung getroffen. Sie – die Prozessbevollmächtigten der Klägerin – machten Ansprüche auf künftiges Entgelt im Übrigen nur geltend, wenn dieser Rechtsschutz durch eine Versicherung habe.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Prozessakten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die an sich statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Beklagten hatte in der Sache zum größten Teil Erfolg. Die Beschwerdekammer kann dem Arbeitsgericht in der Bewertung des Zahlungsantrags, der offensichtlich allein Gegenstand der Beschwerde ist, nicht folgen. Die bisherigen Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts zur Bewertung des Anspruchs auf künftige wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit einer Bestandsschutzklage wird aufgegeben.

1. Die B...

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