Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Annahme eines dreifachen Jahresbetrags bei Nebeneinander von Bestandsschutzantrag und Geltendmachung zukünftig wiederkehrender Leistungen. Festsetzung eines Monatsverdienstes für aus dem Urteilsspruch entstandene Vergütungsansprüche. Wertung eines Bestandsschutzantrags als unechter Hilfsantrag. Streit über wirtschaftliche Identität von Bestandsschutzanträgen und bis dahin schon fälligen Zahlungsansprüchen
Leitsatz (amtlich)
1. Wird im Zusammenhang mit einem Bestandsschutzantrag ein Antrag auf künftige, wiederkehrende Leistungen (§§ 257, 258 ZPO) gestellt, ist der für diesen Antrag nach §§ 39 Abs. 1, 42 Abs. 1 S. 1 GKG anzusetzende Einzelwert nach dem Sinn und Zweck des § 42 Abs. 2 S. 1 GKG nicht nach dem dreifachen Jahresbetrag, sondern in Relation zum Wert des Bestandsschutzantrags zu bemessen.
2. Bei der Wertbestimmung insoweit ist zwischen den bis zum Erlass des Urteils bzw. der sonstigen Erledigung schon fälligen Teilbeträgen und erst danach entstehenden Vergütungsansprüchen zu differenzieren. Letztere sind mit einem Monatsverdienst zu berücksichtigen (im Anschluss an LAG Hamm, Beschluss vom 8. Februar 2002 - 9 Ta 314/99 - und Beschluss vom 15. August 2007 - 6 Ta 454/07).
3. Es bleibt unentschieden, ob der neben dem Bestandsschutzantrag formulierte Leistungsantrag nach §§ 257, 258 ZPO regelmäßig, auch ohne ausdrücklich formulierte Bedingung, als unechter Hilfsantrag zu verstehen ist und ob hinsichtlich der davon erfassten, schon fälligen Teilbeträgen und dem Bestandsschutzantrag eine wirtschaftliche Identität im Sinne des § 41 Abs. 1 S. 3 GKG angenommen werden kann.
Normenkette
RVG § 32; GKG § 39 Abs. 1, § 42 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; ZPO §§ 257-258; GKG § 63 Abs. 2, § 68 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 23.07.2020; Aktenzeichen 5 Ca 753/20) |
Tenor
Auf die Beschwerden des Klägers vom 27. Juli 2020 und der Beklagten vom 29. Juli 2020 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 23. Juli 2020 - 5 Ca 753/20 abgeändert. Der Verfahrens- und Vergleichswert wird auf 16.208,30 € festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Festsetzung des Gebührenstreitwerts nach § 32 Abs. 2 S. 1 RVG iVm. §§ 63 Abs. 2, 68 Abs. 1 GKG für ein durch Prozessvergleich erledigtes Bestandsschutzverfahren.
I.
Der Kläger war seit dem 8. Dezember 1982 bei der Beklagten, die bundesweit Baumärkte betreibt, am Standort J als Teamleiter im Verkauf gegen ein durchschnittliches monatliches Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 3.241,66 € beschäftigt. Mit Schreiben vom 24. März 2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis unter Hinweis auf die beabsichtigte Schließung dieser Filiale ordentlich zum 31. Oktober 2020. Mit am 6. April 2020 anhängig gemachter Bestandsschutzklage wandte sich der anwaltlich vertretene Kläger gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dazu ließ er in der Klageschrift einen punktuellen Kündigungsschutzantrag, einen nicht ausdrücklich bedingt formulierten Weiterbeschäftigungsantrag und einen zeitlich unbegrenzten Antrag auf künftige monatliche Vergütungsleistungen ab dem 1. November 2020 unter Angabe eines Kanons der insoweit maßgeblichen Bedingungen ankündigen.
Mit Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO vom 24. Juni 2020 stellte das Arbeitsgericht das Zustandekommen und den Inhalt eines verfahrensbeendenden Prozessvergleichs fest. Danach ist die Kündigung gegenstandslos. Nach Ziffer 2 wird der Kläger seine Tätigkeit zu im Übrigen unveränderten vertraglichen Bedingungen ab dem 1. Oktober 2020 und über den 31. Oktober 2020 hinaus in der Filiale F fortsetzen.
Auf Antrag beider Parteivertreter, aber entgegen deren Anregungen zur Wertbestimmung, setzte das Arbeitsgericht den Verfahrens- und Vergleichswert mit Beschluss vom 23. Juli 2020 auf insgesamt 129.666,40 € fest. Zur Begründung bezog es sich darauf, dass der Antrag auf künftig wiederkehrende Lohnleistung neben dem Kündigungsschutzantrag (Vierteljahresverdienst) und dem Beschäftigungsantrag (ein Monatsverdienst) auf der Grundlage des § 42 Abs. 1 S. 1 GKG mit dem Wert des dreifachen Jahresbezugs (36 Monatseinkommen) zu berücksichtigen sei.
Gegen diese Festsetzung wenden sich sowohl der Kläger mit Beschwerde vom 27. Juli 2020 wie auch die Beklagte mit Beschwerde vom 29. Juli 2020. Beschwerdeziel ist jeweils eine deutliche Herabsetzung des Gesamtwerts. Während der Kläger entsprechend den vorläufigen Wertangaben seiner Prozessbevollmächtigten in der Klageschrift von einem Gesamtwert in Höhe von fünf Monatseinkommen ausgeht, vertritt die Beklagte den Standpunkt, dass der Gebührenstreitwert trotz der Antragshäufung insgesamt nach dem Vierteljahresverdienst zu bemessen ist.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten des Beschwerdeverfahrens wird auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen.
II.
Die nach §§ 68 Abs. ...