Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg: Zur Frage der Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, wenn der Arbeitnehmer ohne Aufhebung des Arbeitsvertrages zum Geschäftsführer der GmbH berufen wird

 

Leitsatz (amtlich)

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht eröffnet, wenn es um die Kündigung des der Organstellung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses geht. Dies gilt auch dann, wenn der aufgrund eines Arbeitsvertrages als technischer Leiter beschäftigte Arbeitnehmer zum Geschäftsführer ernannt wird und tatsächlich die Tätigkeiten eines Geschäftsführers ausübt, ohne dass der bisher bestandene Arbeitsvertrag aufgehoben und ein schriftlicher Geschäftsführeranstellungsvertrag geschlossen worden ist (Abweichung von LAG Niedersachen, 05.03.2007 – 17 Ta 618/06, NZA-RR 2007, 522 und LAG Bremen, 02.03.2006 – 3 Ta 9/06, LAGE § 5 ArbGG 1979 Nr. 11)

 

Normenkette

ArbGG § 5 Abs. 1 S. 3; BGB § 323

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Beschluss vom 31.10.2007; Aktenzeichen 5 Ca 878/07)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 5 AZB 58/08)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 31.10.2007 – 5 Ca 878/07 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 31.609,47 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I

Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges.

Der Kläger will gegenüber den Beklagten feststellen lassen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen der Beklagten zu 1) und 2) vom 30.03.2007 nicht aufgelöst worden ist, fordert Weiterbeschäftigung als technischer Leiter und macht rückständige Vergütungsansprüche geltend.

Der am 01.08.1958 geborene Kläger trat aufgrund eines Arbeitsvertrages für Angestellte als technischer Leiter mit Personalverantwortung ab 01.04.2005 in die Dienste der Beklagten zu 1), deren Mutter die Beklagte zu 2) ist. Die Parteien vereinbarten ein jährliches Bruttogehalt von 75.000,00 EUR.

Am 17.10.2005 wurde der Kläger zum gemeinsam vertretungsberechtigten Geschäftsführer der Beklagten zu 1) bestellt. Am 06.12.2006 ist er zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer ernannt worden. In diesem Zusammenhang wurde sein Jahresgehalt auf 130.000,00 EUR erhöht. Zum Abschluss eines schriftlichen Geschäftsführer-Anstellungsvertrages kam es nicht. Der von der Beklagten zu 1) vorgelegte Geschäftsführer-Anstellungsvertrag, der die Aufhebung des Anstellungsvertrages vom 05.10.2004 zum Gegenstand hat, ist nicht unterschrieben worden. Tatsächlich hat der Kläger seit seiner Geschäftsführerbestellung Geschäftsführertätigkeiten ausgeübt.

Mit Schreiben vom 30.03.2007 kündigte die Beklagte zu 1) vor dem Hintergrund der schwebenden Verhandlungen über eine einvernehmliche Beendigung des Anstellungsverhältnisses vorsorglich ein etwa bestehendes Anstellungsverhältnis zum nächstmöglichen Termin. In gleicher Weise kündigte die Beklagte zu 2) ebenfalls mit Schreiben vom 30.03.2007 vorsorglich das etwaig bestehende Dienst- bzw. Anstellungsverhältnis zum nächstmöglichen Termin.

Durch Gesellschafterbeschluss vom 12.04.2007 wurde der Kläger von seinem Amt als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten zu 1) abberufen.

Der Kläger meint, da der ursprünglich geschlossene Arbeitsvertrag gemäß § 623 BGB nicht wirksam aufgehoben worden sei, seien die Arbeitsgerichte für den vorliegenden Rechtsstreit zuständig.

Demgegenüber vertritt die Beklagte den Standpunkt, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei vorliegend gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG aufgrund der Organstellung des Klägers nicht gegeben.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 31.10.2007 festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen unzulässig ist und den Rechtsstreit an das Landgericht Bochum verwiesen. Zur Begründung seiner dem Kläger am 05.11.2007 zugestellten Entscheidung hat es ausgeführt, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht eröffnet. Wer als Organ zur Vertretung einer juristischen Person berufen sei, gelte nach der gesetzlichen Fiktion weder als Arbeitnehmer noch als arbeitnehmerähnliche Person. Zugunsten des Klägers könne unterstellt werden, dass er Arbeitnehmer im materiell-rechtlichen Sinne sei, denn § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ordne an, dass die Arbeitsgerichte nicht zuständig seien, wenn es um die Kündigung des Anstellungsvertrages gehe, der Grundlage der Geschäftsführerbestellung sei. Da ein schriftlicher Geschäftsführer-Anstellungsvertrag nicht geschlossen worden sei, sei der Arbeitsvertrag für Angestellte vom 05.10.2004 weiterhin Grundlage für die Vertragsbeziehungen der Parteien. Die vom Bundesarbeitsgericht für die Zulässigkeit des Rechtsweges entwickelte sog. sic-non-Rechtsprechung sei auf Organvertreter nicht anwendbar. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Der dagegen eingelegten

sofortige Beschwerde

des Klägers, die am 12.11...

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