Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages, mit dessen Verfassung das Ziel verfolgt wird, dem Arbeitnehmer den unberechtigten Bezug von Arbeitslosengeld zu ermöglichen
Leitsatz (amtlich)
1. Beabsichtigt der Arbeitgeber den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung und vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien stattdessen die einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung mit der Maßgabe, daß zwei unterschiedliche Exemplare der Aufhebungsvereinbarung gefertigt werden, von welchen das eine eine Vertragsbeendigung auf Veranlassung des Arbeitgebers aus betriebsbedingten Gründen ausweist, daß andere hingegen ausdrücklich auf die "eingehend erörterten" Kündigungsgründe Bezug nimmt, so handelt es sich bei dem Vertragswerk um einen einheitlichen Abwicklungsvertrag, welcher die stillschweigende Abrede umfaßt, dem Arbeitnehmer einen unberechtigten Bezug von Arbeitslosengeld zu ermöglichen.
2. In der Ausfertigung zweier unterschiedlicher Vertragsausfertigungen liegt ein hinreichendes Indiz für eine entsprechende Täuschungsabrede. Hierin liegt der Unterschied zur ernstlich gewollten Aufgabe ursprünglich verhaltensbedingter Kündigungsgründe im Rahmen üblicher außergerichtlicher Abwicklungsvereinbarungen oder gerichtlicher Beendigungsvergleiche. Aus dem dokumentierten Festhalten des Arbeitgebers an den verhaltensbedingten Kündigungsgründen folgt, daß letztere nicht als gegenstandslos erklärt und die Vertragsbeendigung ohne Rücksicht hierauf vereinbart wird, vielmehr betriebsbedingte Gründe nur vorgeschoben werden sollen.
3. Aus der Nichtigkeit der Täuschungsabrede folgt gemäß § 139 BGB im Zweifel die Gesamtnichtigkeit des Vertrages. Auf den "Hauptzweck" der Vereinbarung kommt es nicht an (gegen LArbG Baden-Württemberg vom 22.5.1991, 12 Sa 160/90 = LAGE § 611 Aufhebungsvertrag Nr 4).
4. Unabhängig von der Vertragstreue und Bereitschaft des Arbeitgebers, gegenüber dem Arbeitsamt die versprochenen unrichtigen Erklärungen abzugeben, ist es dem Arbeitnehmer nicht verwehrt, die Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung geltend zu machen, ohne daß es insoweit auf seine Motive ankommt. Auch der Umstand, daß mit der Erfüllung der Abwicklungsvereinbarung bereits begonnen worden ist und der Arbeitnehmer über drei von sechs vereinbarten Monaten bezahlte Freistellung erhalten hat, begründet keinen Einwand des Rechtsmißbrauchs. Der Gesichtspunkt des Vertragsschutzes zugunsten des Arbeitgebers muß zurücktreten, da andererseits die Gefahr eines "mittelbaren Erfüllungszwanges" in dem Sinne bestünde, daß der Arbeitnehmer zur Vermeidung der Sperrzeit die verabredete Täuschung des Arbeitsamtes in die Tat umsetzt.
Normenkette
BGB §§ 134, 138-139, 242, 305
Verfahrensgang
ArbG Siegen (Entscheidung vom 21.02.1997; Aktenzeichen 2 Ca 1585/96) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 21.02.1997 - 2 Ca 1585/96 - teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die beiden Aufhebungsverträge vom 15.03.1996 beendet worden ist.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Tatbestand
Mit seiner Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit eines geschlossenen Aufhebungsvertrages mit der Begründung geltend, dieser ziele auf eine Täuschung des Arbeitsamtes und sei deswegen gemäß § 134 BGB nichtig; ferner wendet sich der Kläger gegen eine sodann von der Beklagten ausgesprochene Kündigung, welche diese auf den Vorwurf wiederholter Schlechtleistungen stützt.
Die Beklagte ist Mercedes-Vertragshändlerin und führt ein Unternehmen des Kfz-Gewerbes. Sie ist Mitglied der Innung. Der Kläger, geboren 1952, trat aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.02.1973 (Bl. 153 d.A.) als Kfz-Mechaniker in das Unternehmen der Beklagten ein. Er ist Mitglied der IG Metall. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden dementsprechend kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge des Kfz-Gewerbes Anwendung. Der Kläger erzielte zuletzt einen Stundenlohn von 24,23 DM bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden. Er ist Schwerbehinderter mit einem GdB von 70.
Zu Beginn seiner Beschäftigung war der Kläger - nach seiner Behauptung zeitlich ganz überwiegend - in der Neuwagenkontrolle beschäftigt, wurde sodann aber aus Gründen, welche streitig sind, in den regulären Werkstattbetrieb übernommen. Wegen behaupteter Leistungsmängel beabsichtigte die Beklagte zunächst im Sommer 1995, gegenüber dem Kläger eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses auszusprechen. Hiervon sah die Beklagte jedoch ab, nachdem im Zuge des Zustimmungsverfahrens bei der Hauptfürsorgestelle technische Veränderungen (Anschaffung einer Hebebühne) vorgenommen wurden. Auch in der Folge beanstandete die Beklagte wiederholt die Arbeitsleistung des Klägers; die Berechtigung dieser Beanstandungen sowie die Frage, inwiefern der Kläger aus diesem Grunde förmlich abgemahnt wurde, ist unter den Parteien streitig.
Wegen der behaupteten Leistungsmängel beantragte die Beklagte ...