Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Arbeitsvertrags. Abgeltung von Überstunden
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Anspruch auf Vergütung von Überstunden besteht bereits dann, wenn diese gebilligt oder geduldet werden oder jedenfalls zur Erledigung der anfallenden Aufgaben notwendig sind, so wenn sich ihre Erforderlichkeit aus der arbeitgeberseits vorgenommenen Dienstplaneinteilung, der andauernden personellen Unterbesetzung und dem zwingenden Erfordernis, die anvertrauten Patientinnen und Patienten kontinuierlich zu versorgen, ergibt.
2. a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind.
b) Bleiben nach Erwägung dieser Umstände Zweifel, gehen diese gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders.
Normenkette
BGB § 305c Abs. 2, § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Münster (Entscheidung vom 24.11.2011; Aktenzeichen 1 Ca 1000/11) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Münster vom 24.11.2011 - 1 Ca 1000/11 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten (noch) um das Bestehen von Ansprüchen auf Überstundenvergütung und Urlaubsabgeltung.
In der Zeit ab 01.07.2009 bis zur fristlosen Eigenkündigung vom 23.03.2011 war die Klägerin als Krankenschwester bei dem Beklagten, der einen privaten Pflegedienst betreibt, tätig. Sie arbeitete bis zum 30.04.2010 mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 24 und danach von 30 Stunden in der 6-Tage-Woche.
Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 01.05.2010 lautet auszugsweise wie folgt:
"…
§ 5 Arbeitsvergütung
Der Arbeitnehmer erhält eine monatliche Bruttovergütung von 1.700,-- €.
Ein gesonderter Ausgleich für geleistete Überstunden erfolgt nicht. Diese sind mit dem Grundgehalt abgegolten.
…
§ 7 Urlaub
Der Urlaubsanspruch beträgt 26 Tage im Kalenderjahr.
…
§ 15 Verfall-/Ausschlussfristen
Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Andernfalls erlöschen sie. Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung.
…"
In der Zeit ab Januar 2010 bis Dezember 2010 leistete die Klägerin insgesamt 768,52 Überstunden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf die Ausführungen im arbeitsgerichtlichen Urteil unter I. 2. a) der Gründe.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie könne die Vergütung aller begehrten Überstunden verlangen. Daneben stehe ihr noch ein Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von sieben Tagen zu.
Soweit hier noch von Interesse, hat die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 12.470,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2011 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Meinung geäußert, Überstundenforderungen seien angesichts der arbeitsvertraglichen Abgeltungsregelung ausgeschlossen; im Übrigen seien sie größtenteils verfallen. Hinzu komme, dass es zu unrichtigen Aufzeichnungen und damit falschen Darlegungen gekommen sei.
Das Arbeitsgericht hat mit Schlussurteil vom 24.11.2011 der Klage im Umfang von 768,52 Überstunden und sieben Tagen Urlaubsabgeltung stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte schulde für den Zeitraum ab Januar bis Dezember 2010 für insgesamt 768,52 geleistete Überstunden eine Vergütung in Höhe von 11.927,43 €, ausgehend von einem Stundensatz von 15,52 €. Dem stehe § 5 Absatz 2 des Arbeitsvertrages nicht entgegen, weil die dort verankerte Abgeltungsklausel gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sei.
Die Berufung auf die Verfallklausel des § 14 des Arbeitsvertrages sei dem Beklagten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt.
Der Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 543,32 € für insgesamt sieben Urlaubstage, darunter drei zulässigerweise aus dem Jahr 2010 übertragene Tage, sei ebenfalls gegeben.
Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung.
Er ist der Ansicht, namentlich die Überstundenansprüche seien nach § 15 des Arbeitsvertrages verfallen. Ein treuwidriges Verhalten auf seiner Seite liege nicht vor; die Klägerin hätte ggf. rechtzeitig Rechtsrat einholen müssen.
Davon abgesehen seien die Überstunden nicht richtig aufgezeichnet worden; zudem seien sie nicht angeordnet gewesen.
Der Beklagte beantragt,
das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Münster vom 24.11.2011 - 1 Ca 1000/11 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, § 15 des Arbeitsvertrages sei intransparent, weil darin nicht der Beginn des Laufs der Verfallfrist festgele...