Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Arbeitsvertrags. Abgeltung von Überstunden
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Anspruch auf Vergütung von Überstunden besteht bereits dann, wenn diese gebilligt oder geduldet werden oder jedenfalls zur Erledigung der anfallenden Aufgaben notwendig sind, so wenn sich ihre Erforderlichkeit aus der arbeitgeberseits vorgenommenen Dienstplaneinteilung, der andauernden personellen Unterbesetzung und dem zwingenden Erfordernis, die anvertrauten Patientinnen und Patienten kontinuierlich zu versorgen, ergibt.
2. a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind.
b) Bleiben nach Erwägung dieser Umstände Zweifel, gehen diese gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders.
Normenkette
BGB § 305c Abs. 2, § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Münster (Entscheidung vom 08.03.2012; Aktenzeichen 1 Ca 1701/11) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 08.03.2012 - 1 Ca 1701/11 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten (noch) um das Bestehen von Ansprüchen auf Überstundenvergütung.
In der Zeit ab 04.01.2010 bis zum 30.06.2011 war der Kläger als Nachtwache bei dem Beklagten, der einen privaten Pflegedienst betreibt, tätig, und zwar mit einer regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit von 120 Stunden.
Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 15.07.2010 lautet auszugsweise wie folgt:
"…
§ 4 Arbeitsvergütung
Der Arbeitnehmer erhält eine monatliche Bruttovergütung von 1.500,-- €.
Ein gesonderter Ausgleich für geleistete Überstunden erfolgt nicht. Diese sind mit dem Grundgehalt abgegolten.
…
…
§ 14 Verfall-/Ausschlussfristen
Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Andernfalls erlöschen sie. Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung.
…"
In der Zeit ab Januar bis November 2010 leistete der Kläger insgesamt 540 Überstunden.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne die Vergütung der begehrten Überstunden verlangen.
Soweit hier noch von Interesse, hat die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 6.750,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.09.2011 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Meinung geäußert, Überstundenforderungen seien angesichts der arbeitsvertraglichen Abgeltungsregelung ausgeschlossen; im Übrigen seien sie größtenteils verfallen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 08.03.2012 der Klage im Umfang von 540 Überstunden stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte schulde für den Zeitraum ab Januar bis November 2010 für insgesamt 540 geleistete Überstunden eine Vergütung in Höhe von 6.750,00 €, ausgehend von einem Stundensatz von 12,50 €. Dem stehe § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages nicht entgegen, weil die dort verankerte Abgeltungsklausel gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sei.
Die Verfallklausel des § 14 des Arbeitsvertrages sei wegen Intransparenz unwirksam; im Übrigen sei es dem Beklagten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich darauf zu berufen.
Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung.
Er ist der Ansicht, die Überstundenansprüche seien nach § 14 des Arbeitsvertrages verfallen. Ein treuwidriges Verhalten auf seiner Seite liege nicht vor; der Kläger hätte ggf. rechtzeitig Rechtsrat einholen müssen.
Davon abgesehen seien die Überstunden nicht angeordnet gewesen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 08.03.2012
- 1 Ca 1701/11 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, § 14 des Arbeitsvertrages sei intransparent, weil darin nicht der Beginn des Laufs der Verfallfrist festgelegt worden sei. In jedem Fall habe ihn der Beklagte treuwidrig von der Geltendmachung der Ansprüche abgehalten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat der Klägerin zu Recht Ansprüche auf Vergütung von Überstunden zugesprochen.
Nach §§ 611 Abs. 1, 612 BGB kann die Klägerin vom Beklagten für den streitbefangenen Zeitraum von Januar bis November 2010 die Vergütung von insgesamt 540 Überstunden in Höhe von 6750,00 € brutto verlangen.
I. In dem Zusammenhang kann zum Umfang der angefallenen Überstunden e...