Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidung nach Lage der Akten. Zurückverweisung. Mobbing. Straining. Ausschlussfrist. Zurückverweisung des Rechtsstreits bei unzulässiger Entscheidung nach Aktenlage. Geltung der tarifliche n Ausschlussfrist auch für Ansprüche nach § 15 AGG
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Urteil nach Lage der Akten ist gemäß §§ 313a, 251a ZPO nicht zulässig, wenn zuvor lediglich ein Gütetermin stattgefunden hat. Die Erörterung der Sach- und Rechtslage im Gütetermin stellt keine mündliche Verhandlung im Sinne des § 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO dar (im Anschluss an LAG Hamm, Urteil vom 20.07.2011 - 2 Sa 422/11; LAG Hamm, Urteil vom 04.03.2011 - 18 Sa 907/10).
2. Eine unzulässige Entscheidung des Arbeitsgerichts nach Lage der Akten kann in entsprechender Anwendung des § 538 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 6 ZPO zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht führen. Die Zurückverweisung entsprechend § 538 Abs. 2 ZPO steht im Ermessen des Berufungsgerichts. Dabei ist insbesondere der Gesichtspunkt der Prozessökonomie zu beachten. Eine Zurückverweisung kommt nicht in Betracht, wenn auf Grundlage des bisherigen Streitstoffes eine abschließende Entscheidung durch das Berufungsgericht ohne Weiteres möglich ist und es weder weiterer Sachaufklärung noch der Durchführung einer Beweisaufnahme bedarf.
3. Eine arbeitsvertragliche Bestimmung, wonach die "Notverordnungen zum Dienstrecht der kirchlichen Angestellten vom 26.07.1961 und 12.12.1962 sowie die Änderungen und Ergänzungen, die aufgrund dieser Notverordnungen beschlossen werden", Vertragsinhalt sind, führt zur Anwendung des BAT-KF bzw. des TV-Ärzte-KF.
4. Die Ausschlussfrist nach § 33 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte-KF erfasst auch Ansprüche auf Schadenersatz wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts sowie Ansprüche aus § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG.
5. Die sechsmonatige Ausschlussfrist nach § 33 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte-KF begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Sie ist insbesondere nicht gemäß §§ 134, 202 Abs. 1 BGB unwirksam. Insoweit sind die für tarifvertragliche Ausschlussfristen geltenden Grundsätze (BAG, Urteil vom 18.08.2011 - 8 AZR 187/10) entsprechend anwendbar.
Leitsatz (redaktionell)
G § 15 Abs. 2ZPO § 251a Abs. 2ZPO § 313aZPO § 538 Abs. 2TV-Ärzte-KF § 33 Abs. 1
Normenkette
ZPO §§ 251a, 538; ArbGG §§ 54, 68; TV-Ärzte-KF § 33; BAT-KF § 36; AGG § 15 Abs. 1-2; ZPO § 251a Abs. 2, §§ 313a, 538 Abs. 2; TV-Ärzte-KF § 33 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Herne (Entscheidung vom 29.03.2011; Aktenzeichen 3 Ca 3804/09) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 29.03.2011 - 3 Ca 3804/09 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Schadenersatz Schmerzensgeld und Entschädigung.
Der Kläger wurde 1952 geboren. Er stammt aus Polen und besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Er war seit dem 01.09.1983 bei der Beklagten als Arzt beschäftigt. Die Parteien schlossen unter dem 18.08.1983 einen Arbeitsvertrag (Ablichtung Blatt 44 der Akten). Mit Schreiben vom 27.11.1984 wurde der Kläger zum Funktions-Oberarzt ernannt. Unter dem 26.02.1986 schlossen die Parteien einen weiteren Arbeitsvertrag (Ablichtung Bl. 45 d. A.). Dort heißt es unter anderem:
" . . .
§ 1
Herr K1, geb. 1952 wird ab 01.03.1986 als Anästhesie-Funktions-Oberarzt beim Ev. Krankenhaus W1, auf unbestimmte Zeit unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe BAT-KF I b weiterbeschäftigt.
§ 2
Vertragsinhalt sind die Bestimmungen der Notverordnungen zum Dienstrecht der kirchlichen Angestellten vom 26.07.1961 und 12.12.1962 und die Änderungen und Ergänzungen, die aufgrund dieser Notverordnungen beschlossen werden.
. . . "
Eine Oberarztstelle bekleidete der Kläger nicht, er wurde nicht zum regulären Oberarzt ernannt. Im Jahr 2004 erhielt der Kläger einschließlich der Vergütung für Bereitschaftsdienste ein Entgelt in Höhe von insgesamt 126.194,00 € brutto.
Am 15.05.2005 erlitt der Kläger einen Schlaganfall. Seit dem 01.07.2005 ist er als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 60 (zuletzt, seit dem 11.12.2009, mit einem Grad der Behinderung von 100) anerkannt. Der Kläger nahm am 14.11.2005 seinen Dienst wieder auf und erlitt am 19.06.2006 einen Bandscheibenvorfall. Danach war er arbeitsunfähig erkrankt und nahm am 02.11.2006 seine Tätigkeit wieder auf. Mit Schreiben vom 22.12.2006 beantragte die Beklagte bei dem Integrationsamt die Zustimmung zu einer Änderungskündigung, da sie den Kläger nicht mehr in einem Krankenhaus in W1, sondern in einem Krankenhaus in H1 einsetzen wollte. Mit Schreiben vom 27.02.2007 beantragte die Beklagte die Zustimmung zu einer "entfristeten" Änderungskündigung. Das Integrationsamt versagte mit Schreiben vom 14.03.2007 die Zustimmung, die dann auf den Widerspruch der Beklagten vom Widerspruchsausschuss erteilt wurde. Die nachfolgend ausgesprochene Kündigung vom 10.12.2007 erklärte die Beklagte selbst als unwirk...