Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen einer erneuten fristlosen Kündigung wegen unerlaubter Wettbewerbshandlungen nach Ausspruch einer gerichtlich angegriffenen außerordentlichen Arbeitgeberkündigung
Leitsatz (redaktionell)
Einerseits wird die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber dürfe nach Ausspruch einer angefochtenen fristlosen Kündigung vom Arbeitnehmer die Unterlassung von Wettbewerbshandlungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses nur dann verlangen, wenn er ihm hierfür gleichzeitig eine monatliche Entschädigung mindestens in Höhe einer Karrenzentschädigung nach den §§ 74 ff. HGB anbiete. Andererseits ist ein Arbeitnehmer an das für die Dauer des rechtlichen Bestands des Arbeitsverhältnisses bestehenden Wettbewerbsverbot auch dann noch gebunden, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt worden ist und er diese Kündigung gerichtlich angreift, denn ein Arbeitnehmer verhält sich widersprüchlich, wenn er einerseits um seinen Arbeitsplatz kämpft, diesen aber andererseits durch Wettbewerbshandlungen möglicherweise gefährdet. Dieses widersprüchliche Verhalten gilt aber auch für den Arbeitgeber, der sich einerseits vom Arbeitnehmer trennen will, andererseits aber von ihm bis zur Klärung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses erwartet, keine Wettbewerbstätigkeiten zu entfalten. In einem solchen Fall sind der Grad des Verschuldens sowie Art und Auswirkung der Konkurrenztätigkeit für die erforderliche Interessenabwägung von Bedeutung, ob der verhaltensbedingte Grund dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht hat. Dies kann der Fall sein, wenn der gekündigte Arbeitnehmer durch die Gründung eines eigenen Konkurrenzunternehmens eine auf Dauer angelegte Konkurrenztätigkeit beginnt.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1-2; HGB § 60
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Urteil vom 17.01.2007; Aktenzeichen 3 Ca 818/06) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 17.01.2007 – 3 Ca 818/06 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob das Arbeitsverhältnis durch die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 07.04.2006 und 04.05.2006 fristlos oder aufgrund der fristgerechten Kündigung der Beklagten vom 27.02.2006 mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.06.2006 beendet worden ist.
Die am 07.02.1970 geborene ledige Klägerin war bei der Beklagten als Steuerfachwirtin/Bilanzbuchhalterin gegen eine monatliche Vergütung von 3.500,00 EUR tätig.
Die Beklagte war in einem angemieteten Objekt in L1 zusammen mit der Steuerberaterin F2 und dem Steuerberater M2 als Steuerberaterin tätig. Ursprünglich war der Steuerberater L2 Mitglied der Bürogemeinschaft, der das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ab 01.11.1994 begründet hat. Die Geschäfte des Steuerberaters L2 hat die Beklagte zum 01.01.2006 übernommen. Ihrer Darstellung zufolge handelt es sich um drei getrennte Steuerberatungsbüros, die lediglich durch eine gemeinsame Zentrale, den Posteingang und den gemeinsamen Putzservice verbunden waren.
Der für die Klägerin maßgebliche Arbeitsvertrag vom 08.01.2001 enthält in § 4 ein Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses. Auch eine sonstige Tätigkeit bedurfte der vorherigen Zustimmung des Praxisinhabers. Ein Verstoß berechtigte den Praxisinhaber ggfls. zur fristlosen Kündigung. Auf den weiteren Inhalt des in der Berufungsverhandlung überreichten Arbeitsvertrages (Bl. 176 bis 179 d.A.) wird Bezug genommen. Die regelmäßige Arbeitszeit betrug gemäß § 9 des Arbeitsvertrages 38,5 Stunden wobei, eine feste Arbeitszeit vereinbart war.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zunächst mit Schreiben vom 27.02.2006 fristgemäß zum 31.05.2006. Mit ihrer dagegen erhobenen Klage hat die Klägerin die Sozialwidrigkeit der Kündigung gerügt mit der Behauptung, die Beklagte beschäftige ständig mehr als sechs Arbeitnehmer.
Mit Schreiben vom 07.04.2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos mit der Begründung, sie habe soeben festgestellt, dass sie für ein Mitglied der Bürogemeinschaft, Frau F2, eine im Prinzip andere Steuerberaterin, insgesamt eine halbe Stunde tätig gewesen sei, die die Klägerin ihr gegenüber jedoch ausweislich der Leistungserfassung als für sie geleistete Arbeitszeit notiert habe. Auf diese Weise habe die Klägerin Bezahlung für nicht geleistete Arbeit erhalten und gegen das im Arbeitsvertrag vereinbarte Wettbewerbsverbot verstoßen. Außerdem habe die Klägerin wiederholt Arbeitszeiten aufgeschrieben, ohne tatsächlich gearbeitet zu haben. Ausweislich der von ihr erstellten Zeiterfassung habe sie beispielsweise am 10.03.2006 und 17.03.2006 eine Arbeitszeit von sechs Stunden notiert. Die Klägerin habe sich an diesem Tag jedoch über ihren PC erst um 7.37 Uhr bzw. 7.40 Uhr angemeldet und um 13.03 Uhr abgemeldet. Maßgeblich für ihre Arbeitszeit sei die Nutzung des Computers. Deshalb habe die Klägerin Arbeitszeiten abgerechnet, die sie tatsächlich nicht...