Gegen dieses Urteil kann vom Kläger – soweit zugelassen – Revision eingelegt werden
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. Schwerbehinderung. Anerkennungsantrag. Zustimmung des Integrationsamts. fehlerhafter Zustimmungsbescheid. Bestandskraft. Zweiwochenfrist. Treu und Glauben
Leitsatz (amtlich)
1. Hat das Integrationsamt die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung gegen-über einem Arbeitnehmer, welcher seine Anerkennung als Schwerbehinderter betreibt, trotz Versäumung der Zweiwochenfrist des § 91 Abs. 2 SGB IX erteilt, so ist dieser Mangel – von der Nichtigkeit des Bescheides abgesehen – nicht von den Arbeitsgerichten, sondern allein im Widerspruchs- und Klageverfahren vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen. Die Anwendung des § 626 Abs. 2 BGB wird insoweit von den Regeln des § 91 Abs. 2 und Abs. 5 SGB IX verdrängt (BAG AP Nr. 45 zu § 626 BGB Ausschlussfrist).
2. Diese „Verdrängungswirkung” bleibt auch dann erhalten, wenn der Arbeitnehmer nach Ausspruch der Kündigung seinen Anerkennungsantrag und die verwaltungsgerichtliche Klage gegen den Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes zurücknimmt. Im Übrigen kann der Arbeitnehmer, der durch die Geltendmachung des Schwerbehindertenschutzes eine entsprechende Herauszögerung der Kündigung bewirkt hat, sich nach Treu und Glauben nachträglich nicht darauf berufen, die Regeln des § 91 SGB IX seien gar nicht anwendbar.
Normenkette
SGB IX § 91 Abs. 2; BGB § 626 Abs. 2, § 242
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Urteil vom 16.12.2003; Aktenzeichen 7 Ca 7237/02) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 16.12.2003 – 7 Ca 7237/02 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen, soweit es den gegen die fristlose Kündigung vom 02.01.2003 gerichteten Kündigungsfeststellungsantrag betrifft.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit mehrerer – fristloser und fristgerechter – Kündigungen, welche die Beklagte zunächst ohne und nachfolgende mit Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochen hat; ferner begehrt der Kläger die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.
Mit seiner Klage hat sich der am 24.01.1962 geborene, verheiratete und gegenüber drei minderjährigen Kindern unterhaltspflichtige Kläger, welcher seit dem 01.09.2000 als Marketing-Direktor mit Prokura im Betrieb der Beklagten gegen ein durchschnittliches Arbeitsentgelt von 10.000,00 EUR/Monat tätig war, gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch außerordentliche fristlose Kündigungen vom 15.11.2002 und 25.11.2002 sowie durch ordentliche Kündigung vom 29.11.2002 zum 31.03.2003 gewandt, ferner gegen eine erneute außerordentliche Kündigung vom 02.01.2003, welche die Beklagte nunmehr mit Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochen hat sowie gegen eine weitere, ebenfalls mit Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 14.01.2003 zum 31.07.2003. Nachdem das Arbeitsgericht die außerordentlichen Kündigungen vom 15.11. und 25.11.2002 mit der Begründung für unwirksam erklärt hat, insoweit fehle es an der Einhaltung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB, und der Kläger sodann seinen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter nicht weiterverfolgt hat, steht im Berufungsrechtszug allein noch die Wirksamkeit der fristlosen – mit Zustimmung des Integrationsamtes erklärten – Kündigung vom 02.01.2003 sowie der ordentlichen Kündigungen vom 29.11.2002 zum 31.05.2003 und vom 14.01.2003 zum 31.07.2003 im Streit. Weiter hat der Kläger im zweiten Rechtszug einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 9 KSchG gestellt.
Durch Urteil vom 16.12.2003 (Bl. 274 ff.d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht dem Klagebegehren entsprochen, soweit es die außerordentlichen Kündigungen vom 15. und 25.11.2002 betrifft, hingegen die Klage im Übrigen – hinsichtlich der mit Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung vom 02.01.2003 sowie der zum 31.05.2003 und 31.07.2003 ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen vom 29.11.2002 und 14.01.2003 – abgewiesen. Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 02.01.2003 hat das Arbeitsgericht damit begründet, in formeller Hinsicht begegne die Kündigung keinen Bedenken. Nachdem sich der Kläger darauf berufen habe, dass er die Anerkennung seiner Schwerbehinderteneigenschaft beantragt habe, habe die Beklagte vorsorglich die Zustimmung des Integrationsamtes beantragt und erhalten. Nach Zugang des Zustimmungsbescheides sei die Kündigung sodann unverzüglich ausgesprochen worden. Soweit sich der Kläger auf eine Verfristung der Kündigungsgründe berufe, greife dieser Einwand nicht durch. Die Frage, ob das Integrationsamt bei seiner Entscheidung die Einhaltung der Zweiwochenfrist des § 91 Abs. 2 SGB IX verkannt habe, sei der arbeitsgerichtlichen berprüfung entzogen und könne vom Kläger ...