Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. tarifliche Unkündbarkeit. wichtiger Grund. Diebstahl. Frikadellenverzehr. Missachtung von Weisungen. Abmahnungserfordernis
Leitsatz (amtlich)
Verzehrt der im Mensabetrieb langjährig als Hilfskraft beschäftigte, tariflich nur noch aus wichtigem Grund kündbare Arbeitnehmer gegen den ausdrücklichen Protest des Vorgesetzten zwei unbezahlte verkaufsfähige Frikadellen, so rechtfertigt weder die hierin liegende Eigentumsverletzung noch das offen gezeigte Weigerungsverhalten des Arbeitnehmers eine fristlose Kündigung ohne vorangehende Abmahnung
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Urteil vom 17.12.2009; Aktenzeichen 4 Ca 1973/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 17.12.2009 – 4 Ca 1973/09 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner Klage wendet sich der im Jahre 1959 geborene Kläger, welcher seit dem Jahre 1991 bei der Beklagten als Mitarbeiter in der Campus-Gastronomie gegen ein monatliches Gehalt von ca. 2.341,– EUR tätig und tariflich nur noch aus wichtigem Grund kündbar ist, gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch außerordentliche fristlose und hilfsweise mit sozialer Auslauffrist ausgesprochen Kündigung vom 20.07.2010.
Die angegriffene Kündigung hat die Beklagte, welche in der Rechtsform der Anstalt Öffentlichen Rechts u. a. die Campus-Gastronomie für die vier B5 Hochschulen betreibt, nach vorangehender Anhörung des Klägers gem. Aktenvermerk vom 08.07.2009 (Bl 104 d. A.) und Beteiligung des Personalrats (Bl. 106 ff. d. A.) mit der Begründung ausgesprochen, der Kläger habe am 07.07.2010 nach Arbeitsaufnahme um 12 Uhr beim Durchgang durch die Küche zunächst einige nicht mehr für den Verzehr bestimmte Pommes frites mit den Fingern aus dem Behältnis entnommen, um diese zu verzehren. Dies habe der Vorgesetzte und Produktionsleiter A3 beobachtet und den Kläger unter Hinweis auf den diesbezüglichen Betriebsaushang darauf hingewiesen, dass es nicht zulässig sei, Lebensmittel ohne Bezahlung zu entnehmen und Speisen sowie Speisenreste zu verzehren. Trotz dieses Hinweises habe der Kläger sich der Kläger sodann zur Ausgabe begeben, habe dort ohne Bezahlung zwei zum Verkauf bestimmte Frikadellen aus der Auslage entnommen und in ein Schälchen gelegt, um sich sodann in Richtung Pausenraum begeben. Auf die Erklärung des Vorgesetzten, der Kläger habe jetzt keine Pause, solle sich an die Pausenregelung halten und wegen des Diebstahls der Frikadellen mit in das Büro kommen, habe der Kläger geantwortet, er wolle in Ruhe gelassen werden, er wisse was er tue und habe anschließend von den nicht bezahlten Frikadellen gegessen. Auch der erneuten Aufforderung, ihm – dem Vorgesetzten – in das Büro zu folgen, habe sich der Kläger widersetzt und sei erst nach Einschaltung weiterer Vorgesetzter zum Gespräch erschienen, dessen Verlauf im Aktenvermerk des Leiters Gastronomie Z3 vom 07.07.2009 (Bl. 103 d. A.) Bl. festgehalten sei. Die Unzulässigkeit des Speisenverzehrs sei dem Kläger sowohl aus schriftlichen Anweisungen (Bl. 99, 100 d. A.) wie auch aus dem entsprechenden Betriebsaushang (Bl. 98 d. A.) bekannt gewesen.
Demgegenüber hat der Kläger, welcher im Übrigen die ordnungsgemäße Unterrichtung des Personalrats bestreitet und die Kündigung unter Hinweis auf § 174 BGB mit der Begründung zurückgewiesen hat, er halte die vorgelegte Vollmachtsurkunde (Bl. 5 d. A.) für unzureichend, die Berechtigung des Kündigungsvorwurfs bestritten und hierzu vorgetragen, der Vorgesetzte A3 habe weder auf ein Verbot des Speisenverzehrs ohne Bezahlung noch auf die Pausenregelung hingewiesen, sondern allein den Kläger aufgefordert, er möge, anstatt mit den Fingern zu essen, sich Schälchen und Gabel nehmen. Im Übrigen treffe es weder zu, dass der Verzehr von Speisen grundsätzlich untersagt sei, noch entspreche ein derartiges Verbot der tatsächlichen Handhabung im Betrieb. Unter diesen Umständen könne eine Kündigung jedenfalls nicht ohne vorangehende Abmahnung ausgesprochen werden.
Durch Urteil vom 17.12.2009, auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrages und der gestellten Anträge Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht antragsgemäß festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die angegriffene Kündigung nicht beendet worden ist. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, bereits die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats sei zweifelhaft, da der Beklagtenvortrag nicht erkennen lasse, ob der Personalrat auch über die Sozialdaten des Klägers unterrichtet worden sei. Unabhängig hiervon fehle es jedenfalls an einem „wichtigen Grund” im Sinne des § 626 BGB, da dem Kläger weder ein Diebstahl vorzuwerfen noch ein diesbezüglicher Verdacht gerechtfertigt sei. Ein Diebstahl der verzehrten Speisen scheide schon im Hinblick darauf aus, dass sich der gesamte Vorgang in unmittelbarer Kenntnis des Vorgesetzten abgespielt habe. Dass sich dieser...