Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Lager
Leitsatz (amtlich)
Auch ohne Übernahme des Personals stellt die Fortführung eines Gefahrstofflagers einen Betriebsübergang dar, wenn die eingelagerte Ware weiterhin vorhanden ist und die Arbeitsorganisation im Wesentlichen unverändert genutzt wird.
Normenkette
BGB § 613a
Verfahrensgang
ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 16.04.2002; Aktenzeichen 2 (1) Ca 2401/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 16.04.2002 – 2 (1) Ca 2401/01 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob das zwischen der Klägerin und der auf Seiten der Beklagten im zweiten Rechtszuge beigetretenen Streithelferin, der Firma A4xxxxx Speditions-GmbH begründete Arbeitsverhältnis nunmehr aufgrund Betriebsübergangs mit der Beklagten besteht.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Sie unterhält u.a. in B1xxxx ein Automobilwerk. Die zur Ersatzteilversorgung für die Kfz-Händler bestimmten Gefahrstoffe (z.B. Batterien, Schmierstoffe u.ä.) wurden in der Vergangenheit im Werk B1xxxx selbst gelagert. Wegen entsprechender behördlicher Auflagen entschloss sich die Beklagte später, die Lagerung der Gefahrstoffe durch ein Drittunternehmen ausführen zu lassen. Nach entsprechender Ausschreibung übernahm die Streithelferin aufgrund Dienstvertrages vom 10.07.1998 die Lagerung, Vereinnahmung, Kommissionierung und den Transport von Gefahrgut. Hierzu hatte sie mit entsprechenden behördlichen Genehmigungen und nach Vorgaben der Beklagten eine geeignete Lagerhalle in B5xxxxx, An der Gohrweide errichtet. In der Folgezeit kam es zu Differenzen zwischen der Beklagten und der Streithelferin wegen Auftragsrückständen und mangelhafter Erledigung der übertragenen Aufgaben. Aus diesem Grunde wurde mit Vertrag vom 07.08.2001 (Bl. 26 f. d.A.) der Dienstvertrag vom 10.07.1998 mit Wirkung vom 07.08.2001 Tage beendet. Zugleich vermietete die Streithelferin das Gefahrstofflager mit Wirkung ab dem 01.08.2001 an die Beklagte, welche seither dort in eigener Verantwortung und mit eigenem Personal tätig ist. Ob hierin ein Betriebsübergang liegt, ist unter den Parteien streitig.
Mit Rücksicht auf die Beendigung des Dienstvertrages kündigte die Streithelferin die Arbeitsverträge ihrer sämtlichen – etwa 20 bis 25 – im Lager beschäftigten Personen. Die Klägerin, welche dort als Büro-Organisatorin gegen ein durchschnittliches Bruttoarbeitsentgelt von 3.200,– DM tätig war, hat gegen die Kündigung vom 10.08.2001 Klage erhoben. Das Kündigungsschutzverfahren – ArbG Gelsenkirchen 2(4) Ca 2031/01- ist zur Zeit ruhend gestellt.
Wie unstreitig ist, standen Lagergebäude und Einrichtung (Regale) sowie die verwendeten Staplerfahrzeuge im Eigentum der Streithelferin. Entsprechendes galt für die Büroeinrichtung nebst EDV. Zur Erledigung der übernommenen Aufgabenstellung nutzte die Streithelferin zum einen ein Lagerverwaltungssystem, mit welchem Art und M4xxx der eingelagerten Waren nebst Zu- und Abgang sowie die Lagerungsstandorte („locations”) erfasst wurden, ferner ein EDV-Programm zur Abwicklung der Kommissionsaufträge zwecks Belieferung der Fahrzeughändler. Die entsprechenden Aufträge wurden über eine Standleitung (Datex-P-Leitung) von der Zentrale der Beklagten in R4xxxxxxxxx unmittelbar zum Lager der Streithelferin in B5xxxxx übermittelt. Die Kommissionierung erfolgte dort anhand ausgedruckter Auftragslisten. Die kommissionierten Aufträge wurden sodann mit Händleradressen versehen, welche aus der EDV übernommen und auf einem Labeldrucker ausgedruckt wurden. Die Auslieferung der kommissionierten Ware an die Fahrzeughändler erfolgte teils durch die Streithelferin, teils durch andere Transportunternehmen. Daneben wurden – Einzelheiten sind nicht vorgetragen – auch Gefahrgüter vom Lager B5xxxxx zum Automobilwerk der Beklagten transportiert, wobei dies nach Angaben der Beklagten allein den Bedarf für den Verkauf an Werksangehörige, nicht hingegen den Produktionsbedarf betraf.
Anlass für die Beendigung des Dienstvertrages vom 10.07.1998 gemäß der Vereinbarung vom 07.08.2001 waren nach Angaben der Beklagten Unstimmigkeiten bei der Auftragsabwicklung, welche zu Rückständen in der Auftragssachbearbeitung von ca. 3 ½ Wochen und entsprechenden Reklamationen seitens der Händler führten. Im Rahmen des Inventurablaufplans 2001 führten Mitarbeiter der Beklagten am 21.07.2001 zunächst eine Überprüfung des in sog. Reservefächern gelagerten Reservebestandes durch. Hierbei wurde festgestellt, dass von den 3.679 geprüften Ladeeinheiten 142 Ladeeinheiten nicht in dem bestimmungsgemäßen Reservefach lagerten, bei 17 Ladeeinheiten stimmte die angegebene Menge auf dem Aufkleber nicht mit dem Inhalt überein, 177 Ladeeinheiten wurden aufgefunden, welche zuvor nicht erfasst worden waren. Am 04.08.2001 erfolgte sodann eine Voll-Inventur der 700 Greif...