3) Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweiswert eines ärztlich angeordneten Beschäftigungsverbotes

 

Leitsatz (redaktionell)

Das individuelle Beschäftigungsverbot des § 3 Abs. 1 MuSchG nach ärztlichem Zeugnis ist für das Beschäftigungsverbot konstitutiv. Die Erhebung der Befunde und deren Bewertung ist Aufgabe des Arztes. Er hat alle Umstände abzuwägen und verantwortlich zu entscheiden, ob die Schwangere mit der Arbeit aussetzen muss, um sie oder ihr Kind vor andernfalls zu befürchtenden Schäden zu schützen. Hierbei muss dem Arzt ein Beurteilungsspielraum eingeräumt werden. Er muss eine Prognose abgeben, kann also seine Entscheidung nie mit letzter Sicherheit treffen. Gleichwohl darf der Arzt nicht leichtfertig handeln. Dabei hat der Arzt zu entscheiden, ob er das Beschäftigungsverbot überhaupt erteilt, ob er es nur vorübergehend erteilt oder für die gesamte Zeit bis zur Entbindung. Geht der Arzt so vor, so hat seine Bescheinigung, mit der er ein Beschäftigungsverbot erteilt, hohe Beweiskraft. Die Arbeitnehmerin genügt ihrer Darlegungslast zur Suspendierung der Arbeitspflicht und damit zur Begründung eines Anspruchs aus § 11 Abs. 1 MuSchG zunächst durch Vorlage der ärztlichen Bescheinigung.

 

Normenkette

MuSchG §§ 11, 3

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Urteil vom 15.09.2005; Aktenzeichen 4 Ca 2814/05)

 

Tenor

1) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 15.09.2005 – 4 Ca 2814/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Der Streitwert wird auf 7.990,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Mutterschutzlohn.

Die am 22.10.1974 geborene Klägerin ist seit dem 07.09.1998 bei der Beklagten als Bürokraft zu einem monatlichen Bruttoverdienst von 1.700,00 EUR beschäftigt. Die Parteien schlossen einen schriftlichen Arbeitsvertrag unter dem 28.08.1998 (Blatt 3, 4 der Akte).

Unter dem Datum vom 10.01.2005 stellten die die Klägerin behandelnden Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe D2xxxx und W4xxxxxxx eine ärztliche Bescheinigung „zur Vorlage beim Arbeitgeber” aus. Darin heißt es, es bestehe eine gefährdete Schwangerschaft, weswegen ein totales Beschäftigungsverbot zunächst bis zum 07.02.2005 ausgesprochen werde. In dieser Bescheinigung ist auch eine Rubrik vorgesehen, die sich auf anzugebende Tätigkeiten bezieht, die die Klägerin nicht ausführen dürfe. Das hierfür vorgesehene Feld ist nicht ausgefüllt. Auf die Kopie Bl. 6 d.A. wird Bezug genommen. Es folgten weitere Bescheinigungen bis zum 29.05.2005 unter Verwendung eines identischen Vordrucks. Weitergehende Angaben enthielt auch die weitere Bescheinigung vom 09.05.2005 nicht (Bl. 5 d.A.).

Nachdem die Klägerin mit einer E-mail vom 03.02.2005 der Beklagten mitgeteilt hatte, dass sie sich viel Ruhe antun, spazieren und bummeln gehen solle sowie Sport, Stress und Aufregung zu vermeiden habe (Bl. 31 d.A.), bat die Beklagte über die damaligen Bevollmächtigten der Klägerin unter dem Datum vom 01.03.2005 um Auskunft über den Umfang des Beschäftigungsverbots sowie um Darlegung, welche Arbeitsumstände – die ggf. abgestellt werden könnten – ausschlaggebend für das Beschäftigungsverbot seien. Mit Schreiben vom 09.03.2005 teilten die Bevollmächtigten der Klägerin mit, es stehe ihnen frei, direkt von dem behandelnden Arzt Auskünfte einzuholen, dass dieser sich jedoch im Urlaub befinde. Mit Telefax vom 31.03.2005 (Bl. 32, 33 d.A.) bat die Beklagte sodann die die Klägerin behandelnden Ärzte um Auskunft über den Umfang des Beschäftigungsverbots und etwaige problematische, ggf. abzustellende, Arbeitsumstände. Mit Telefax vom 20.04.2005 erhielt die Beklagte am 28.04.2005 die auf den 21.04.2005 datierte Stellungnahme der Ärzte. Hierin heißt es u.a.:

„Im Verlauf ihrer Schwangerschaft berichtete die Patientin über zunehmende Probleme und Beschwerden bei ihrer Berufsausübung, so dass nach ausführlicher Erörterung der Problematik ab dem 10.01.2005 durch unsere Praxis ein totales Beschäftigungsverbot ausgestellt wurde.

Aufgrund dieser schwierigen beruflichen Belastungssituation, die Frau H2xxxx mehrfach glaubhaft schilderte und ihrer Einschätzung, dass eine erhebliche Minderung dieser Belastung durch die Gesamtumstände der Arbeitssituation nicht durchführbar bzw. geplant sind, sahen wir die Notwendigkeit zum Schutz der Patientin und der Schwangerschaft ein Beschäftigungsverbot auszustellen.”

Auf die Kopie Bl. 34 d.A. wird Bezug genommen.

Am 29.04.2005 wies die Beklagte die behandelnden Ärzte darauf hin, dass sie an den Gesamtumständen der Arbeitssituation nichts durchführen, bzw. planen könne, wenn die diesbezüglichen Wünsche bzw. berechtigten Forderungen der Klägerin nicht mitgeteilt würden (Bl. 35, 36 d.A.).

Für den Monat Januar 2005 zahlte die Beklagte der Klägerin ein Gehalt in Höhe von 510,00 EUR brutto. Weitere Zahlungen erfolgten nicht.

Mit ihrer am 30.05.2005 beim Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage hat die Klägerin von der Beklagten di...

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