Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsschutzrechtliche Gründe für den Freistellungsanspruch nach § 37 Abs. 2 BetrVG. Arbeitsbefreiungsanspruch gem. § 37 Abs. 4 BetrVG als Ausgleich für Aufwand zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben in der Freizeit. Kausalität zwischen Betriebsratstätigkeit und Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds
Leitsatz (redaktionell)
1. Der auf § 37 Abs. 2 BetrVG gestützte Arbeitsbefreiungsanspruch, der im zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit entstanden ist, weil wegen der gebotenen Ruhezeit entsprechend § 5 Abs. 1 ArbZG die Aufnahme der Arbeitsleistung für die Dauer von 11 Stunden nach Beendigung der Betriebsratstätigkeit unmöglich oder unzumutbar war (vgl. auch BAG vom 07.06.1989 aaO.), ist allein arbeitsschutzrechtlichen Aspekten geschuldet (ausführlich BAG vom 18.01.2017 aaO., Rdnr. 27 und 28 m.w.N.).
2. Der Arbeitsbefreiungsanspruch aus § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wegen erforderlicher Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit hingegen dient dem Ausgleich des Aufwandes zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben in der Freizeit des Betriebsratsmitgliedes, was nach allgemeiner Auffassung ansonsten eine unzumutbare Belastung darstellen würde (statt aller Richardi, BetrVG 15. Aufl./Thüsing, § 37 Rdnr. 41 m.w.N.). Hierfür spricht im Übrigen auch die Gesetzesbegründung zum BetrVG-Reformgesetz des Jahres 2001, die die zu diesem Zeitpunkt bereits bekannte Rechtsprechung (BAG vom 15.02.1989 aaO.) zu § 37 Abs. 3 BetrVG gerade nicht aufgegriffen hat, sondern zur Neufassung des § 37 Abs. 3 BetrVG durch Schaffung des neuen Satzes 2 ausführt, dass damit "... klargestellt [wird], dass erforderliche Betriebsratsarbeit, die wegen unterschiedlicher Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit des einzelnen Betriebsratsmitglieds durchgeführt werden kann, die Ausgleichsansprüche des Abs. 3 auslöst" (Bundesdrucksache 14/5741 S. 40), also weitere Anspruchsvoraussetzungen nicht normiert wurden.
3. Eine verbotene Begünstigung im Sinne des § 78 Satz 2 BetrVG setzt schon begriffsnotwendig eine Besserstellung des Klägers als Betriebsratsmitglied gegenüber einem Arbeitnehmer voraus. Die (verbotene) Begünstigung in einem solchen Vergleich muss ursächlich auf die Betriebsratstätigkeit zurückgehen (Fitting aaO., § 78 Rdnr. 22 m.w.N.). Eine Begünstigung ist hingegen ausgeschlossen, wenn die gegenüber dem Betriebsrat zu erbringenden Leistungen unmittelbare Folge der gesetzlichen Regelung sind, die dem Schutz der Betriebsratsarbeit dient.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 2, 3 S. 1; ArbZG § 5 Abs. 1; BetrVG § 78 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 13.07.2016; Aktenzeichen 3 Ca 313/16) |
Tenor
- Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 13.07.2016 - 3 Ca 313/16 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger auf dem individuellen Arbeitszeitkonto für in der Zeit vom 05.11.2015 bis 28.01.2016 außerhalb seiner Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratstätigkeit insgesamt 60,00 Stunden gutzuschreiben.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Hauptsache um einen Anspruch des Klägers auf Zeitgutschriften auf seinem Arbeitszeitkonto für durchgeführte Betriebsratstätigkeit.
Der 1968 geborene Kläger ist seit dem 26.02.1990 als Anlagenbediener bei der Beklagten beschäftigt. Sein Stundenlohn beträgt 20,88 € brutto; auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die nordrhein-westfälische Metall- und Elektroindustrie Anwendung. Der Kläger ist Mitglied des bei der Beklagten gewählten Betriebsrates. Er arbeitet im Dreischichtsystem, wobei die Spätschicht von 14.00 Uhr bis 22.00 Uhr und die Nachtschicht von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr geleistet wird. Wegen der Schichtpläne der Beklagten wird beispielhaft auf die Kopien Bl. 231 und 232 d.A. Bezug genommen. Durch Rahmenbetriebsvereinbarung vom 11.03.2011 "über flexible Arbeitszeiten" (im Folgenden: Rahmen-BV) ist für die Arbeitnehmer der Beklagten jeweils ein individuelles Arbeitszeitkonto eingerichtet worden, auf das die verfahrene Arbeitszeit gebucht und sodann mit der tariflichen Sollarbeitszeit von 35 Stunden je Woche saldiert wird. Wegen der Einzelheiten der Rahmen-BV wird auf die Kopie Bl. 211 ff. d.A. Bezug genommen.
Der Kläger hat an folgenden Tagen Betriebsratstätigkeit außerhalb der für ihn im Schichtsystem hinterlegten Arbeitszeit verrichtet:
05.11.2015: 6:00 - 15:00 Uhr = 9 Stunden
18.11.2015: 8:00 - 17:00 Uhr = 8 Stunden
19.11.2015: 8:00 - 17:00 Uhr = 8 Stunden
20.11.2015: 8:00 - 16:15 Uhr = 8 Stunden
26.11.2015: 6:00 - 15:00 Uhr = 9 Stunden
07.01.2016: 6:00 - 14:00 Uhr = 8 Stunden
25.01.2016: 9:00 - 15:00 Uhr = 6 Stunden
28.01.2016: 6:00 - 14:00 Uhr = 8 Stunden
Wegen der vom Kläger an diesen Tagen dargelegten konkreten Betriebsratstätigkeit wird auf die Ausführungen des klägerischen Schriftsatzes vom 08.07.2016, Bl. 78 und 79 d.A., Bezug genommen.
Aufgrund der Betriebsratstätigkeit am 05., 18., 19. und 26...