Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Erwerbers bei Firmenfortführung gem. § 25 HGB bei Firmenerwerb in der Insolvenz

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Haftung des Erwerbers bei Firmenfortführung gemäß § 25 HGB für Verbindlichkeiten des bisherigen Firmeninhabers scheidet bei Firmenerwerb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund einer teleologischen Reduktion des § 25 HGB aus. Dies gilt auch, wenn kein Insolvenzverwalter bestellt, sondern Eigenverwaltung angeordnet wurde.

 

Normenkette

HGB § 25

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Entscheidung vom 02.09.2015; Aktenzeichen 4 Ca 990/15)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 02.09.2015 - 4 Ca 990/15 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um verschiedene Zahlungsansprüche.

Die Beklagte betreibt in E und an weiteren Standorten in Deutschland die Produktion von Nahrungsmitteln.

Der Kläger war zunächst bei der A Nahrungsmittel GmbH & Co. KG mit Sitz in E in der Zeit vom 01.05.2013 bis 31.08.2014 zu einem Bruttomonatsgehalt von 5.400 EUR beschäftigt. Aufgrund von Umsatzrückgängen und einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage stellte die A Nahrungsmittel GmbH & Co. KG am 24.02.2015 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und entschied sich zur Reduzierung des Personals. Unter dem 27.05.2014 schloss sie mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Punkteschema und Auswahlrichtlinie. Vereinbart war unter anderem die Entlassung von 85 Arbeitnehmern. Im weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens erfolgte darüber hinaus aufgrund weiterer Interessenausgleiche eine weitere Reduzierung der Arbeitnehmerzahl. Zuletzt wurde den verbliebenden Arbeitnehmern angeboten, mit Wirkung zum 22.12.2014 in eine Transfergesellschaft zu wechseln und mit dieser befristete Arbeitsverträge bis zum 21.07.2015 zu schließen.

In diesem Zusammenhang erklärte die A Nahrungsmittel GmbH & Co. KG u.a. auch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger, der ab dem 19.05.2014 freigestellt wurde. Nachdem der Kläger gegen diese Kündigung eine Kündigungsschutzklage erhob, schlossen die Parteien einen Vergleich ab, der u.a. eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2014 und die Zahlung einer Abfindung vorsieht, die über die Sozialplanabfindung hinausgeht.

Mit Wirkung zum 01.09.2015 nahm der Kläger eine Nachfolgetätigkeit auf. Für den Zeitraum vom 19.05.2014 bis 31.08.2014 bezog der Kläger Leistungen von der Bundesagentur für Arbeit.

Mit Beschluss des Amtsgerichts E vom 01.05.2014 wurde über das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A Nahrungsmittel GmbH & Co. KG eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet. Zum Sachwalter wurde Herr Rechtsanwalt C bestellt worden. Zwischenzeitlich ist das Insolvenzverfahren aufgrund Masseunzulänglichkeit beendet worden.

Im Rahmen des Insolvenzverfahrens bot sich die E1 CAPITAL AG als Investor an, die dazu bereit war, einzelne Assets der A Nahrungsmittel GmbH & Co. KG im Wege des Unternehmenskaufvertrages zu erwerben. Dies erfolgte über Vorratsgesellschaften, namentlich über die E2 W Beteiligungs- und Verwaltungs-GmbH, welche zum 03.12.2014 in die Beklagte umfirmierte und die E2 W1 Beteiligungs- und Verwaltungs-GmbH. Ein Unternehmenskaufvertrag kam mit der E2 W Beteiligungs- und Verwaltungs-GmbH zunächst unter dem 18.11.2014 zustande, wobei sich diese ein Rücktrittsrecht für den Fall vorbehielt, dass nicht 90% der Beschäftigten in die Transfergesellschaft wechselten. Als dies nicht erfolgte, kam schließlich dennoch im Rahmen von Nachverhandlungen ein modifizierter Kaufvertrag zustande.

Die A Nahrungsmittel GmbH & Co. KG zahlte für den Kläger die Beiträge in die Pensionskasse für 2013 nicht ein. Diese Forderung in Höhe von 2.673,00 EUR, machte der Kläger gegenüber der A Nahrungsmittel GmbH & Co. KG geltend. Sie wurde vom Insolvenzgericht unter dem 15.01.2015 in voller Höhe zur Insolvenztabelle festgestellt.

Mit der am 22.07.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Sozialplanabfindung, die Differenz der Vertragsvergütung für die Zeit vom 19.05.2014 bis 31.08.2015 zu den von der Agentur für Arbeit gezahlten Beträgen und die zu Unrecht nicht abgeführten Beiträge zur Pensionskasse für das Nahrungsmittelgewerbe für 2013 geltend.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei Übernehmerin der A Nahrungsmittel GmbH & Co. KG. Dies ergebe sich daraus, dass die Beklagte Produktionsstätten unter der gleichen Anschrift, ein gleiches Portfolio, gleiches Sachmittel, den gleichen Personenstand sowie die gleiche Produktpalette aufweise.

Er könne daher die Ansprüche, die ihm gegen die A Nahrungsmittel GmbH & Co. KG zustanden, nach § 25 HGB gegen die Beklagte geltend machen, da diese als Firmenfortführerin der A Nahrungsmittel GmbH & Co. KG anzusehen sei. Daran ändere auch das Insolvenzverfahren nichts, da dieses mittlerweile aufgrund von Masseunzulänglichkeit eingestellt worden sei.

Der Kläger hat behauptet, er hab...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge