Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss der beurlaubten Beamten aus Sozialplan. Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion eines Sozialplans

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Regelung eines Sozialplans, die beurlaubte Beamte von Abfindungsansprüchen ausschließt, ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG.

 

Normenkette

BetrVG §§ 111-112, 75; Sonderurlaubsverordnung § 13 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Entscheidung vom 15.10.2013; Aktenzeichen 3 Ca 1433/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 08.12.2015; Aktenzeichen 1 AZR 787/14)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 15.10.2013 - 3 Ca 1433/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen, soweit die Berufung der Klägerin, die sich gegen die Abweisung des Zahlungsantrags durch das Arbeitsgericht richtet, zurückgewiesen wurde.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung, die die Beklagte auf betriebliche Gründe stützen will, sowie über den Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Abfindung aus einem Sozialplan.

Die am 04.08.1960 geborene Klägerin ist ledig und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Seit dem 01.12.1979 war sie im Dienste der Bundesrepublik Deutschland als Beamtin bei der Deutschen B tätig. Mit der Privatisierung der Deutschen B nimmt E AG die Dienstherreneigenschaft aufgrund des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen B wahr. E AG beurlaubte die Klägerin nach § 13 Abs. 1 der Sonderurlaubsverordnung unter Wegfall der Besoldung für eine Tätigkeit bei der W GmbH. Zum 01.01.2008 erwarb die Beklagte den Geschäftsbetrieb der W GmbH. Sämtliche bei der W GmbH bestehende Arbeitsverhältnisse, darunter auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin, gingen auf die Beklagte über. Die Beklagte erbrachte mit zuletzt rund 950 Mitarbeitern, darunter rund 190 beurlaubte Beamte der E2 AG, an 16 Standorten in Deutschland Dienstleistungen auf dem Telekommunikationssektor.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für die W GmbH Anwendung. Die Klägerin bezog zuletzt ein monatliches Entgelt von 2.103,40 € brutto.

In den Jahren 2010 bis 2012 erstritten einige Arbeitnehmer der Beklagten, die nicht zu den beurlaubten Beamten gehörten, rechtskräftig obsiegende Urteile gegen E AG, wonach die Arbeitsverhältnisse zu dieser mangels rechtswirksamer Beendigung fortbestanden haben. Später ergingen entsprechende Anerkenntnisurteile zugunsten weiterer Arbeitnehmer.

Am 05.12.2012 wurden die Beschäftigten der Beklagten im Rahmen einer Betriebsversammlung über eine beabsichtigte Schließung des Geschäftsbetriebs der Beklagten informiert. Die Gesellschafter der Beklagten trafen am 18.12.2012 u. a. den Beschluss, der Einstellung des Geschäftsbetriebes der Gesellschaft zuzustimmen. Das operative Geschäft der Beklagten sollte zum 30.06.2013, die Abrechnung bis zum 31.07.2013 und die verbleibenden Restarbeiten bis zum 30.09.2013 beendet werden.

Am 29.04.2013 schlossen sodann die Beklagte und der Betriebsrat einen Interessenausgleich zur Betriebsschließung ab. Der Interessenausgleich lautet auszugsweise:

"6. Beteiligungsrechte des Betriebsrates

6.1. Der Betriebsrat und NSN S sind sich darüber einig, dass durch diesen Interessenausgleich die Beteiligungsrechte des Betriebsrates gemäß §§ 111, 112 BetrVG zur Betriebsstilllegung abschließend wahrgenommen sind und das Verfahren beendet ist.

6.2. NSN S hat den Betriebsrat im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen eingehend über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Mitarbeiter, die Zahl und Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Mitarbeiter, den Zeitraum, in dem Entlassungen vorgenommen werden sollen, die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenen Mitarbeiter und die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien informiert, und zwar sowohl für jeden Standort gesondert als auch für den unternehmenseinheitlichen Betrieb insgesamt. Die Parteien haben insbesondere die Möglichkeit beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken oder ihre Folgen zu mildern; das Ergebnis dieser Beratungen ist in diesem Interessenausgleich enthalten. Damit ist auch die Beteiligung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 KSchG abgeschlossen. NSN S wird diesen Interessenausgleich der zuständigen Agentur für Arbeit zuleiten. Er gilt zugleich als Stellungnahme des Betriebsrats zu der beabsichtigten Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 3 KSchG.

6.3 NSN S hat den Betriebsrat im Rahmen der Verhandlungen dieses Interessenausgleichs über den Wegfall sämtlicher Arbeitsplätze durch die Betriebsstilllegung umfassend informiert. Gleichzeitig wurden etwaige Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten diskutiert und übereinstimmend festgestellt, dass solche wegen der Betriebsstilllegung nicht bestehen. Hinsichtlich der Sozialauswahl wur...

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