Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgeblicher Insolvenzantrag für die Insolvenzanfechtung von durch Zwangsvollstreckung erlangten Lohnzahlungen in der Insolvenz des Arbeitgebers
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Beurteilung einer Insolvenzanfechtung ist gem. § 139 Abs. 2 S. 1 InsO der erste zulässige und begründete Antrag maßgeblich, auch wenn das Verfahren aufgrund eines späteren Antrags eröffnet worden ist.
2. Dem steht auch nicht entgegen, dass zwischen dem Insolvenzantrag und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Zeitraum von nicht ganz vier Jahren liegt.
Normenkette
InsO § 129 Abs. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Rheine (Entscheidung vom 16.06.2015; Aktenzeichen 5 Ca 696/15) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 16.06.2015, Az. 5 Ca 696/15 abgeändert:
Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an den Beklagten 2.930,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.09.2014 zu zahlen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Klägers, Ausbildungsvergütung, die er unter dem Druck von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erlangt hat, im Wege der Insolvenzanfechtung an die Masse zurückzugewähren.
Der Kläger absolvierte in der Zeit vom 01. August 2008 bis zum 31. Januar 2012 bei der B GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) eine Ausbildung zum Metallbauer. Die monatliche Ausbildungsvergütung des Klägers betrug nach dem geschlossenen Berufsausbildungsvertrag im ersten Ausbildungsjahr 362,00 €, im zweiten, dritten und vierten Ausbildungsjahr entsprechend 401,20 €, 450,40 € und 495,20 €. Da die Ausbildungsvergütung während des bestehenden Ausbildungsverhältnisses nur unregelmäßig gezahlt worden war, machte der Kläger nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses restliche Vergütungsansprüche gegenüber der Insolvenzschuldnerin geltend. Der vor dem Arbeitsgericht Rheine geführte Rechtsstreit (Az. 1 Ca 206/12) endete mit einem am 19. Oktober 2012 geschlossenen Vergleich, der eine Zahlung der Insolvenzschuldnerin an den Kläger in Höhe von 2.800,00 €, zahlbar bis zum 15. November 2012, vorsah.
Da die Insolvenzschuldnerin bis zum 15. November 2012 nicht zahlte, erwirkte der Kläger unter dem 21. November 2012 ein vorläufiges Zahlungsverbot gemäß § 845 ZPO. Unter dem 03. Dezember 2012 beantragte der Kläger einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, welcher am 27. Dezember 2012 durch das Amtsgericht Tecklenburg erlassen wurde. Unter dem Druck des vorläufigen Zahlungsverbotes und des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erhielt der Kläger aus dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin am 21. Dezember 2012 eine Zahlung in Höhe von 2.814,39 € und am 28. Januar 2013 zwei weitere Zahlungen in Höhe von 108,20 € und in Höhe von 7,85 €.
Gut zwei Jahre zuvor, nämlich am 07. Oktober 2010 war beim Amtsgericht Münster ein Antrag der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eingegangen. Die Antragstellung erfolgte aufgrund rückständiger Sozialversicherungsbeiträge und Pauschalsteuern einschließlich Säumniszuschlägen und Gebühren für den Zeitraum vom 01. Oktober 2006 bis 30. September 2009 in Höhe von 7.370,92 €. Zuvor durchgeführte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen waren erfolglos geblieben.
Der Insolvenzschuldnerin wurde rechtliches Gehör zu dem Insolvenzantrag gewährt. In der Folgezeit wurde dann regelmäßig über die Höhe der Forderung der Knappschaft-Bahn-See diskutiert. Teilweise erfolgten durch die Insolvenzschuldnerin auch Zahlungen, die jedoch der titulierten Forderung nicht gänzlich entsprachen. Ende des Jahres 2011 betrug die Forderung nach den Ausführungen der Knappschaft-Bahn-See noch 4.760,63 €. Im Jahre 2012 wurde dann regelmäßig sowohl durch die Insolvenzschuldnerin als auch durch die Knappschaft-Bahn-See beim Insolvenzgericht nach dem Sachstand gefragt. Unter dem 08. Januar 2013 teilte die Knappschaft-Bahn-See dem Amtsgericht mit, dass sich die Forderung auf 5.003,64 € belaufe; man bat erneut um Mitteilung des Sachstandes. Weitere Sachstandsanfragen erfolgten in den Jahren 2013 und 2014.
Unter dem 30. April 2014, beim Amtsgericht Münster am 09. Mai 2014 eingegangen, stellte dann das Finanzamt wegen Steuerforderungen in Höhe von 5.226,58 € einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Einen weiteren Antrag stellte schließlich die Insolvenzschuldnerin am 12. August 2014.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 15. September 2014 (Az. 80 IN 26/14) wurde schließlich über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter ernannt. Die Eröffnung erfolgte nach dem Beschluss "aufgrund der am 09.05.2014 und am 07.10.2010 bei Gericht eingegangenen Gläubigeranträge sowie des am 12.08.2014 ein...