Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusatzversorgung. Befreiung von der Versicherungspflicht. Ausschluss von der Versicherungspflicht. Dauerwirkung. VBL. Versorgungsverschaffungsanspruch. Aufklärungspflichten. Hinweispflichten. Informationspflichten. Rechtmäßigkeit des Ausschlusses von der Pflicht zur Versicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder wegen Befreiung in einem früheren Arbeitsverhältnis. Hinweispflichten des Arbeitgebers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Ausschluss von der Pflicht zur Versicherung eines im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmers bei der Zusatzversorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) nach § 6 Abs. 2 Buchst. f des Tarifvertrags über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe (Versorgungs-TV) vom 04.11.1966 i.d.F des 18. Änderungstarifvertrags vom 12.11.1987 wegen einer in einem vorherigen Arbeitsverhältnis bei einer anderen Zusatzversorgungseinrichtung von ihm beantragten Befreiung von der Zusatzversorgungspflicht verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (gegen LAG Düsseldorf, Urteil vom 19.03.2003 - 12 Sa 1562/02).

2. Der Arbeitgeber verletzt regelmäßig keine ihm obliegenden Aufklärungspflichten, wenn er es unterlässt, den Arbeitnehmer auf den Ausschlusstatbestand des § 6 Abs. 2 Buchst. f Versorgungs-TV hinzuweisen. Er darf in der Regel davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer sich über die dauerhaften Rechtsfolgen der von ihm in einem vorherigen Arbeitsverhältnis beantragten Befreiung von der Zusatzversorgungspflicht entweder selbst informiert hat oder vom Vorarbeitgeber entsprechend aufgeklärt wurde, sodass ein Informationsbedürfnis nicht mehr besteht.

 

Normenkette

BetrAVG § 1 Abs. 1 S. 3, § 18; Versorgungs-TV § 6 Abs. 2 Buchst. f; Satzung VBL § 28 Abs. 2 Buchst. f; GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 311 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 15.09.2010; Aktenzeichen 4 Ca 1609/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 04.08.2015; Aktenzeichen 3 AZR 508/13)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 15.09.2010 wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Ihr Hilfsantrag wird abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit der unterbliebenen Anmeldung der Klägerin bei der Zusatzversorgungsanstalt VBL.

Die am 02.05.1956 geborene Klägerin wurde von der Stadt B1 als Rechtsvorgängerin der Beklagten zum 15.02.1988 als Ärztin eingestellt. Dazu schlossen die Parteien am 28.01.1988 einen Arbeitsvertrag, in dem es unter § 6 heißt:

Der Arzt wird nach Maßgabe des Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe vom 04.11.1966 in der jeweils geltenden Fassung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zusätzlich versichert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrags wird auf Aktenblatt 6 und 7 Bezug genommen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden zunächst kraft vertraglicher Bezugnahme die tariflichen Vorschriften des BAT/VKA Anwendung, nunmehr jene des TV-Ärzte/VKA.

Im Zusammenhang mit der Einstellung füllte die Klägerin ein Formular "Erklärung von Ärzten zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung" (nachfolgend "Erklärung von Ärzten") aus und gab darin durch Ankreuzen des entsprechenden Formularfeldes an: "Ich bin früher von der Versicherungspflicht zur VBL oder einer anderen Zusatzversorgungskasse bereits befreit worden, und zwar ab dem 01.12.1983 von der Zusatzversorgungskasse: Kirchliche Zusatzversorgungskasse Rheinland-Westfalen". Diese Erklärung unterschrieb die Klägerin am 30.01.1988 und reichte das Formular bei der Stadt B1 ein. Dort wurde es ausweislich des auf dem Formular vorgesehenen Verfügungsteils am 22.02.1988 weiterbearbeitet mit der formularmäßigen Feststellung: "Es besteht keine Zusatzversorgungspflicht, da der Arbeitnehmer bereits von der Versicherungspflicht befreit wurde und der Befreiungsgrund (Mitgliedschaft in der Ärzteversorgung) weiterhin vorliegt." Wegen der weiteren Einzelheiten des Formulars wird auf Aktenblatt 72 und 73 verwiesen.

Die Klägerin war vor ihrer Beschäftigung bei der Beklagten seit dem 01.12.1983 beim J1 in W1 beschäftigt gewesen. Seit dieser Zeit war sie von der allgemeinen Rentenversicherungspflicht zugunsten der Ärzteversorgung befreit. Auf Antrag wurde sie auch von der Zusatzversicherungspflicht befreit. Mit Schreiben vom 05.03.1985 erklärte die für die Klägerin damals zuständige Kirchliche Zusatzversorgungskasse Rheinland-Westfalen (KZVK) folgendes:

"...

Befreiung von der Zusatzversicherungspflicht

Sehr geehrte Frau Dr. S1,

wir bestätigen den Eingang Ihres Antrages vom 18.12.1984 und befreien Sie gemäß § 81 Abs. 6 unserer Satzung von der Zusatzversicherungspflicht über den 01.01.1985 hinaus.

Diese Befreiung ist endgültig. ..."

Die Stadt B1 war seinerzeit der Versorgungsanstalt des Bun...

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