Entscheidungsstichwort (Thema)

Sachlicher Geltungsbereich einer in einem Formulararbeitsvertrag enthaltenen Vereinbarung einer Ausschlussfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Die in einem Formulararbeitsvertrag als Allgemeine Geschäftsbedingung enthaltene Ausschlussfrist von sechs Monaten für "vertragliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" erfasst auch einen vertraglichen Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer wegen Haftung aus vorsätzlicher Pflichtverletzung (entgegen BAG, 20. Juni 2013, 8 AZR 280/12,NZA 2013, 1265).

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 202 Abs. 1, §§ 305, 309 Nr. 7, §§ 823, 826

 

Verfahrensgang

ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 15.01.2013; Aktenzeichen 1 Ca 1258/12)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.04.2016; Aktenzeichen 8 AZR 753/14)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 15. Januar 2013 (1 Ca 1258/12) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen

 

Tatbestand

Der Kläger, der als selbständiger Versicherungsvertreter für die W P Versicherung Aktiengesellschaft (nachfolgend P) tätig war, verfolgt Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.

Der Kläger war auf der Grundlage eines Ende 2002 geschlossenen Handelsvertretervertrages ab dem 1. Dezember 2002 für die P als Geschäftsstellenleiter tätig. In dieser Funktion führte er zunächst P-Geschäftsstellen in G., und zwar bis zum Anfang November 2003 in der L T, ab 3. November 2003 bis zum 31. Januar 2010 in der L T2. Zum 1. Februar 2010 übernahm er die Geschäftsstelle in B, I-Straße.

Der am 29. Oktober 1980 geborene Beklagte war beim Kläger ab dem 1. August 2005 als Auszubildender für den Beruf des Versicherungskaufmanns und auf der Grundlage des vom Kläger verwendeten Formulararbeitsvertrages vom 27. Dezember 2007 (vgl. Bl. 17 ff. d. A.) seit dem 10. Januar 2008 als Kundenbetreuer gegen ein monatliches Fixum in Höhe von ursprünglich 925,50 EUR zuzüglich Provision (mit Garantieanteil in Höhe des Fixums), Spesenpauschale und vermögenswirksamen Leistungen (40,00 EUR mtl.) beschäftigt. Das Jahreseinkommen des Beklagten betrug im Jahr 2009 insgesamt 24.648,00 EUR brutto. § 12 Arbeitsvertrag sah folgende Regelung vor:

Verfall von Ansprüchen

Vertragliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, sobald sie nicht spätestens innerhalb von 6 Monaten nach jeweiliger Fälligkeit eines Anspruches schriftlich geltend gemacht werden.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch einen am 22. April 2010 geschlossenen schriftlichen Aufhebungsvertrag (vgl. Bl. 21 d. A.) mit sofortiger Wirkung. An diesem Tag kam es in der Geschäftsstelle des Klägers zu einem Gespräch mit Mitarbeitern der P, die dem Kläger vorhielten, dass es in seiner Geschäftsstelle zu erheblichen Unregelmäßigkeiten bei dem Abschluss und der Durchführung von Versicherungsverträgen gekommen sei. Es habe schwerwiegende Verstöße gegen bestehende Vereinbarungen zur Regulierung von Schäden, z. B. Zahlungen an Geschädigte ohne Wissen der Versicherungsnehmer, gegeben und es sei auch zu Schadensmanipulationen gekommen. Während der Kläger die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückwies, räumte der zu diesem Gespräch hinzu gerufene Beklagte ein, Schäden und Rechnungen manipuliert, unzulässige Provisionen kassiert und zur Regulierung vermeintlicher Schäden geleistete Zahlungen der P selbst vereinnahmt sowie auch Unterschriften des Klägers gefälscht zu haben, was im Nachgang zum Abschluss des Aufhebungsvertrages zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits führte. Ausweislich der Strafanzeige der P bei der Staatsanwaltschaft Essen (17 Js 187/13) vom 18. März 2013 (Bl. 235 ff. d. A.) hat der Beklagte ein notarielles Schuldanerkenntnis über rund 39.400,00 EUR abgegeben.

Mit Schreiben vom 5. Mai 2010 (Bl. 22 d. A.) kündigte die P den mit dem Kläger bestehenden Geschäftsstellenleitervertrag fristlos, hilfsweise fristgerecht. Man habe festgestellt, dass vom Kläger und dessen Mitarbeiter, dem Beklagten, in mindestens einem Fall ein nicht versicherter Schaden reguliert worden sei. Ferner habe der Kläger in mindestens einem Fall einen Versicherungsantrag ohne Wissen des Versicherungsnehmers eingereicht, um so seine Aufnahme in das sog. Top Team zu erreichen. Der Kläger habe zudem gegen Vereinbarungen zur Schadensregulierung verstoßen, den Beklagten nicht hinreichend kontrolliert, in Person durchzuführende Schadensbesichtigungen unterlassen und Regelungsvollmachten umgangen. Darüber hinaus bestünden weitere gegen den Kläger gerichtete Verdachtsmomente. Weitere fristlose Kündigungen der P folgten unter dem 27. Mai 2010 und dem 2. Juni 2010. Bereits mit Schreiben vom 11. Mai 2010 hatte der Kläger, der seit dem 1. Januar 2011 für ein anderes Unternehmen der Versicherungsbranche tätig ist, den Handelsvertretervertrag ordentlich zum 31. Dezember 2010 gekündigt.

Gegen diese Kündigungen wandte sich der Kläger mit einer im Juni 2010 bei dem Landgericht Münster, Kammer für Handelssachen, anhängig gemachten Klage (Az. 022 O 72/10) gegen die P,...

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