Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 16.06.1999 – AZ 4 Ca 759/99 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob auf die klagende Bundesanstalt für Arbeit übergegangene Arbeitsentgeltansprüche aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO oder Insolvenzforderungen nach § 108 Abs. 2 InsO sind.
Mit Beschluß des Amtsgerichts Bielefeld vom 14.01.1999 – AZ 43 In 14/99 – wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma H…………….. Elektronik GmbH (im folgenden nur Schuldnerin) bestellt und dieser ein allgemeines Verfügungsverbot nach § 22 Abs. 1 Satz InsO auferlegt. Am 01.02.1999 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.
Als vorläufiger Insolvenzverwalter beschäftigte der Beklagte zwischen dem 15. und 31.01.1999 29 Arbeitnehmer der Schuldnerin weiter (vgl. Aufstellung Bl. 4,5 d.A.). Die Klägerin zahlte ihnen für diesen Zeitraum insgesamt 12.347,32 DM Insolvenzgeld.
Sie meint, diese nach den §§ 183, 187 SGB III auf sie übergegangenen Entgeltansprüche seien Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO, während der Beklagte der Ansicht ist, sie seien als Insolvenzforderungen im Sinne des § 108 Abs. 2 InsO im Rahmen des Insolvenzverfahrens zur Tabelle anzumelden.
Das Arbeitsgericht Bielefeld ist seiner Auffassung gefolgt und hat die Zahlungsklage mit Urteil vom 16.06.1999, der Klägerin am 18.08.1999 zugestellt, abgewiesen. Es hat § 108 Abs. 2 InsO als Spezialnorm zu § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO angesehen und dies damit begründet, daß nach dem gesetzgeberischen Willen Konkursvorrechte hätten abgeschaft werden sollen, dem Beklagten als vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis die vom Gesetz angestrebte Unternehmensfortführung nicht erschwert und er in seinen Befugnissen nicht gegenüber einem vorläufigen Insolvenzverwalter ohne diese Verfügungsbefugnis beschränkt sein dürfe.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 17.09.1999 eingelegten Berufung. Sie rügt, daß sich das Arbeitsgericht nicht mit der von ihr im einzelnen nachgewiesenen herrschenden Meinung zu der hier zu entscheidenden Rechtsfrage auseinandergesetzt habe und leitet aus Wortlaut, Gesetzesmaterialien und – systematik, dem Zweck des § 55 Abs. 2 InsO und weiteren Argumenten her, daß vielmehr gerade diese Vorschrift als speziellere dem § 108 Abs. 2 InsO vorgehe.
Sie stellt den Antrag,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 16.06.1999 – AZ 4 Ca 759/99 – den Beklagten zu verurteilen, an sie 12.347,32 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die vom Arbeitsgericht vertretene Rechtsauffassung unter ebenfalls umfassender Abwägung der dazu in der Literatur diskutierten Erwägungen als zutreffend.
Hinsichtlich ihrer vielfältigen Begründungen und Argumentationen wird auf die jeweiligen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I
Die Berufung der Klägerin ist zulässig.
Sie ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG) und auch form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG; 516, 518, 519 ZPO).
II
Die Berufung ist aber in der Sache nicht begründet.
Die der Höhe nach unstreitige, auf die Klägerin übergegangene Arbeitsentgeltforderung aus den §§ 611 Abs. 1 BGB; 183 Abs. 1, 187 Satz 1 SGB III; 412, 401 Abs. 2 BGB ist keine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO, die aus der Insolvenzmasse vorab zu befriedigen ist, sondern eine Insolvenzforderung nach § 108 Abs. 2 InsO, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens durchzusetzen ist. Dies hat das Arbeitsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden (abgedruckt in BuW 1999, 877; vgl. auch die beiden Parallelurteile vom gleichen Tag – 4 Ca 1264/99 in ZInsO 1999, 539 = ZIP 1999, 1493, 1494 = DZWIR 1999, 455 und – 4 Ca 1444/99 in NZI 1999, 424).
1. Die hier streitentscheidende Rechtsfrage, welchen Rang die im Fall der Insolvenzgeldzahlung übergeleiteten Entgeltansprüche von Arbeitnehmern in der Hand der hier klagenden Bundesanstalt für Arbeit haben, wenn ein sogenannter „starker” vorläufiger Insolvenzverwaltermit Verfügungsbefugnis im Sinne des § 22 Abs. 1 InsO Arbeitnehmer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Arbeitsleistung heranzieht, wird seit längerem vor allem in der Rechtsliteratur kontrovers und heftig diskutiert (vgl. zuletzt Berscheid, Rang der Entgeltansprüche bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit und ohne Arbeitgeberfunktion, ZInsO 1999, 697 sowie zuvor derselbe, Rang übergeleiteter Arbeitnehmeransprüche nach der InsO, ZInsO 1998, 259; Reformvorschläge zur Erweiterung der Befugnisse des vorläufigen Insolvenzve...