Entscheidungsstichwort (Thema)
Umwandlung des Arbeitsentgelts in eine Anwartschaft für eine betriebliche Altersversorgung. Abweichen durch Tarifvertrag
Leitsatz (amtlich)
1. Nach Ablauf der Übergangsfrist des § 26a BetrAVG ist der Arbeitgeber nach § 1a Abs. 1a BetrAVG seit dem 01. Januar 2022 auch dann gegenüber einem Arbeitnehmer, der von seinem Recht, Arbeitsentgelt in eine Anwartschaft für eine betriebliche Altersversorgung umzuwandeln, Gebrauch gemacht hat, zu dessen Gunsten zur Zahlung eines Zuschusses an den Träger der betrieblichen Altersversorgung verpflichtet, wenn er an einen vor dem 01. Januar 2019 zustande gekommenen Tarifvertrag gebunden ist, der Regelung über eine Entgeltumwandlung enthält (hier: Tarifvertrag über die Förderung einer tariflichen Altersvorsorge und Entgeltumwandlung in der deutschen Süßwarenindustrie vom 18.04.2011), ohne einen Arbeitgeberzuschuss wegen der Einsparung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den Arbeitgeber vorzusehen (gegen LAG Niedersachsen, Urteil vom 16.10.2023 - 15 Sa 223/23 B).
2. Ein Abweichen durch Tarifvertrag nach § 19 Abs. 1 BetrAVG von § 1a Abs. 1a BetrAVG setzt voraus, dass die Tarifvertragsparteien in Kenntnis der Gesetzesnorm sich bewusst dafür entschieden haben, eine andere Regelung treffen zu wollen.
3. Der Arbeitgeber erfüllt seine Verpflichtung aus § 1a Abs. 1a BetrAVG nicht dadurch, dass er aufgrund einer von ihm zu beachtenden tariflichen Verpflichtung eine anderweitige betriebliche Altersversorgung zugunsten des Arbeitnehmers, der von seinem Recht, Arbeitsentgelt in eine Anwartschaft für eine betriebliche Altersversorgung umzuwandeln, Gebrauch gemacht hat, finanziert.
Normenkette
BetrAVG § 1a Abs. 1a, § 19 Abs. 1, § 26a
Verfahrensgang
ArbG Münster (Entscheidung vom 23.05.2023; Aktenzeichen 1 Ca 930-23) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 23.05.2023 (1 Ca 930/22) abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Pensionskasse Deutscher Genossenschaften VVaG für das Jahr 2022 unter der Vertragsnummer XXXXXX/10 457,20 € zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, zugunsten des Klägers einen Zuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG zu leisten.
Der am 04.02.1968 geborene Kläger ist seit dem 05.01.1998 als Industriemeister E-Technik bei der Beklagten beschäftigt. Er ist Mitglied in der Gewerkschaft NGG, die Beklagte im Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie e.V.. Dadurch sind beide Parteien an die tariflichen Bestimmungen der Deutschen Süßwarenindustrie gebunden, u.a. an einen "Tarifvertrag über die Förderung einer tariflichen Altersvorsorge und Entgeltumwandlung" vom 18.04.2011 (nachfolgend: TV Altersvorsorge).
In dem genannten Tarifvertrag heißt es u.a.
" . . .
§ 3
Tariflicher Altersvorsorgebetrag
1. Arbeitnehmer haben gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf eine kalenderjährliche Einmalzahlung des Altersvorsorgebetrages gem. § 3 Nr. 63 EStG, die ausschließlich für Zwecke der Altersvorsorge verwendet werden darf.
a) Die Höhe des Altersvorsorgebetrages für das Jahr 2012 ergibt sich aus der als Anlage I beigefügten Tabelle, die Bestandteil dieses Tarifvertrages wird.
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Der Altersvorsorgebetrag wird jeweils bis zum 15. Dezember eines jeden Jahres vom Arbeitgeber dem Versorgungsträger ohne Antrag des Arbeitnehmers zugewendet.
Eine Barauszahlung sowie die Abtretung und Verpfändung sind ausgeschlossen.
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§ 6
Entgeltumwandlung
1. Arbeitnehmer haben Anspruch auf Umwandlung künftiger tariflicher Entgeltbestandteile zum Zwecke zusätzlicher Altersvorsorge bis zur Grenze des Versicherungspflichtigen Entgelts nach SGB III. Bei Umwandlung von laufenden Entgelten können diese zu einer jährlichen Einmalzahlung zusammengefasst werden. Der Arbeitgeber wendet den entsprechenden Betrag dem Versorgungsträger gem. § 2 zu.
Die Beträge des Arbeitgebers gemäß § 3 Ziffer 1 sind bei der höchstmöglichen Anlage gemäß § 3 Nummer 63 EStG vorrangig zu berücksichtigen.
Der Anspruch ist schriftlich geltend zu machen. Der Antrag hierzu ist vom Arbeitnehmer spätestens zwei Monate vor dem gewünschten Zeitpunkt der erstmaligen Entgeltumwandlung zu stellen.
Der Arbeitnehmer ist bis auf schriftlichen Widerruf, mindestens jedoch für ein Kalenderjahr, an seine Entscheidung gebunden.
Entfällt der umgewandelte tarifliche Entgeltanspruch, so entfällt auch für den Arbeitgeber die Verpflichtung zur Weiterleitung dieses umgewandelten Betrages an den Versorgungsträger. Der Arbeitnehmer kann dann eine andere tarifliche Leistung umwandeln.
Ist der Entgeltanspruch, der vom Arbeitnehmer umgewandelt und vom Arbeitgeber bereits dem Versorgungsträger zugewendet wurde, bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in voller Höhe entstanden, so kann der Arbeitgeber den übersteigenden Betrag verrechnen; ist das unmöglich, hat der Arbeitnehmer den Betrag zurückzuzahlen.
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§ 13
Steuern, Sozialabgaben
Sämtliche Lohn-, Einkommenssteuern und Sozialabgaben,...