Entscheidungsstichwort (Thema)
Einführung TV-N. Tarifeinheit. selbstständige Betriebsabteilung. gewillkürte Tarifpluralität
Leitsatz (amtlich)
Es verstößt nicht gegen den Grundsatz der Tarifeinheit, wenn aufgrund eines Einführungstarifvertrags und einer entsprechenden Anwendungsvereinbarung der Tarifvertragsparteien in einem Betrieb nebeneinander die Spartentarifverträge für Versorgungsbetriebe (TV-N) und für Nahverkehrsbetriebe (TV-V) Anwendung finden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Arbeitnehmer, die dem TV-N unterfallen, in einer selbstständigen Betriebsabteilung beschäftigt werden, und folgt außerdem aus dem Grundsatz der gewillkürten Tarifpluralität.
Normenkette
TV-N; TV-V; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Urteil vom 28.11.2007; Aktenzeichen 3 Ca 1555/07) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 28.11.2007 – 3 Ca 1555/07 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit des Tarifvertrags für Versorgungsbetriebe (TV-V) sowie um Zahlungsansprüche.
Der am 25.01.1959 geborene Kläger ist seit dem 01.03.1995 als Busfahrer bei der Beklagten beschäftigt. Grundlage des Rechtsverhältnisses der Parteien ist ein Arbeitsvertrag vom 03.01.1995, der in § 2 die tariflichen Vorschriften des Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) und der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge – insbesondere des Bezirkszusatztarifvertrags (BZT-G/NRW) – in der jeweils geltenden Fassung für anwendbar erklärt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrags wird auf Aktenblatt 8 verwiesen.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Zusammen mit ihren Tochterunternehmen, der Energie- und Wasserversorgung H2 GmbH, der Fernwärmeversorgung H2 GmbH, dem Hafen H2 GmbH, der H7 GmbH Telekommunikation und dem Verkehrsbetrieb GmbH beschäftigt sie etwa 730 Arbeitnehmer. Die genannten Tochterunternehmen werden von ihr zentral geleitet. Es existiert ein gemeinsamer Betriebsrat für die Beklagte und ihre Tochtergesellschaften.
In ihrem Betriebsbereich Center 24 (Center „Verkehr”) sind die Aktivitäten der Beklagten auf dem Gebiet des öffentlichen Nahverkehrs zusammengefasst, namentlich der Fahrdienst, die Buswerkstatt und eine Abteilung „Verkehrswirtschaft”. Dort beschäftigt die Beklagte ca. 170 Arbeitnehmer, davon etwa 50 mittelbar über ihre Tochtergesellschaft Verkehrsbetrieb H2 GmbH.
Zum 01.04.2007 hat die Beklagte für ihre im Center „Verkehr” beschäftigten Mitarbeiter den Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe NW (TV-N) aufgrund einer Anwendungsvereinbarung vom 26.03.2007, hinsichtlich deren Einzelheiten auf Aktenblatt 34-42 Bezug genommen wird, eingeführt. Bestandteil der Anwendungsvereinbarung ist ein Verzeichnis aller überzuleitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beklagten, insgesamt 128 Personen. Für alle anderen Beschäftigten der Beklagten sowie für ihre Tochtergesellschaften mit Ausnahme des Verkehrsbetriebs H2 GmbH gelten seit dem 01.04.2007 aufgrund eines Einführungstarifvertrags vom 26.03.2007, hinsichtlich dessen Einzelheiten auf Aktenblatt 43 und 44 verwiesen wird, die tariflichen Bestimmungen des TV-V.
Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 29.03.2007 mitgeteilt, er werde in die Entgeltgruppe 6 nach dem TV-N eingruppiert. Unter Beibehaltung einer monatlichen Leistungszulage i.H.v. 20,45 EUR beträgt das monatliche Entgelt der Klägers unverändert 2.423,92 EUR, weil er entsprechend den tariflichen Regelungen den sich aus der Eingruppierung nach dem TV-N ergebenden Differenzbetrag als persönliche Zulage erhält.
Der Kläger ist der Auffassung, nach dem Grundsatz der Tarifeinheit gelte für sein mit der Beklagten bestehendes Arbeitsverhältnis der TV-V. Gegenstand des mit der Klage verfolgten Zahlungsanspruchs ist der Erhöhungsbetrag i.H.v. 4% nach § 22 Ziffer 1b) TV-V für die Monate April bis Juni 2007. Unter Berücksichtigung mit einer zum 01.04.2007 wirksam gewordenen Tarifentgelterhöhung würde sich bei einer Anwendbarkeit der Bestimmungen des TV-V sein Bruttoverdienst um monatlich 133,63 EUR erhöhen.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ab dem 01.04.2007 der Tarifvertrag für Versorgungsbetriebe (TV-V) Anwendung findet,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 400,89 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 133,63 EUR brutto seit dem 01.05.2007, 01.06.2007 und 01.07.2007 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Hamm hat die Klage durch Urteil vom 28.11.2007 abgewiesen. Es hat angenommen, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde seit dem 01.04.2007 der Spartentarifvertrag TV-N gemäß § 1a Buchst. b) BMT-G Anwendung. Die nach § 1 Abs. 3 TV-N erforderliche Anwendungsvereinbarung sei unter dem 26.03.2007 geschlossen worden. Es liege kein Fall einer T...