Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung zur Zahlung einer Ablösungsentschädigung. Formulararbeitsvertrag. Leiterin einer Wohngruppe
Leitsatz (amtlich)
Betreut eine Arbeitnehmerin im Auftrag ihres Arbeitgebers in ihrer eigenen Wohnung als Leiterin einer familienanalogen Wohngruppe Kinder und Jugendliche, so ist sie trotz einer dahingehenden Klausel in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag nicht verpflichtet, eine sogenannte Ablösungsentschädigung zu zahlen, wenn sie ihre Betreuungstätigkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines Vertrags mit einem anderen Jugendhilfeträger oder als selbständige fortsetzt.
Die in einem Formulararbeitsvertrag vereinbarte Verpflichtung zur Zahlung einer Ablösungsentschädigung ist gemäß §§ 305 ff. BGB als unwirksam anzusehen.
Normenkette
BGB § 305 ff., § 309 Nr. 5, § 309 Ziff. 6, § 308 Nr. 7
Verfahrensgang
ArbG Minden (Urteil vom 20.02.2008; Aktenzeichen 2 Ca 1566/07) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 20.02.2008 – 2 Ca 1566/07 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung einer im Arbeitsvertrag vereinbarten sogenannten Ablösungsentschädigung.
Der Kläger betreibt unter der Bezeichnung „F1-H2-Z1 W3” eine vom Landesjugendamt gemäß § 45 KJHG genehmigte Einrichtung, die Kinder in verschiedenen Wohngruppen betreut. Zu dem Zweck unterhält der Kläger eine entsprechende Verwaltung in B2. Zudem beschäftigt der Kläger Mitarbeiterinnen, die vor Ort in ihren eigenen Wohnungen Wohngruppen unterhalten, in denen die betroffenen Kinder rund um die Uhr untergebracht und versorgt werden. Dies erfolgt – entsprechend den landesjugendamtlichen Genehmigungen – unter der Dienst- und Fachaufsicht des Klägers und seiner Einrichtung. Der Betrieb der Wohngruppen erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Jugendämtern, die auch Kostenträger sind. Die sachliche Ausstattung der Wohngruppen (Mobiliar, Verpflegung, Kleidung, Mietanteil pp.) erfolgt durch den Kläger mit den erwähnten Mitteln. Die Mitarbeiterinnen erhalten für ihre Tätigkeit ein Gehalt. Außerdem zahlt der Kläger für die dienstliche Nutzung der Räume der Mitarbeiterinnen einen pauschalen Wohnkostenzuschuss.
Die Beklagte schloss mit dem Kläger unter dem Datum des 16.03.2007 einen Anstellungsvertrag. Danach wurde die Beklagte ab dem 16.03.2007 als Leiterin einer sogenannten familienanalogen Wohngruppe eingestellt. Die Beklagte stellte hierfür drei Betreuungsplätze und die zur Betreuung notwendigen Räume zur Verfügung. Hierfür erhielt sie vom Kläger einen Wohnkostenzuschuss sowie eine Vergütung von monatlich 2.667,89 EUR brutto.
§ 4 des genannten Anstellungsvertrages hat folgenden Wortlaut:
„§ 4
Ablösungsentschädigung
Im Falle einer Ablösung der Familienanalogen Wohngruppe vom F2 W3 (z.B. durch Anschluß an einen anderen Jugendhilfeträger oder Verselbständigung) ist von Frau K1 eine Entschädigung in Höhe von 3.000 EUR je Platz (siehe § 1 Abs. 2) an das F2 W3 zu zahlen.”
Wegen der weiteren Einzelheiten des Anstellungsvertrages vom 16.03.2007 wird auf Blatt 4 ff. der Akten Bezug genommen.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25.05.2007 erklärte die Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2007. Mit Schreiben vom 23.07.2007 machte der Kläger der Beklagten gegenüber die Zahlung einer Ablösungsentschädigung gemäß § 4 des Anstellungsvertrages vom 26.03.2007 in Höhe von 9.000,00 EUR geltend.
Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage vorgetragen, die Beklagte sei zur Zahlung der vereinbarten Ablösungsentschädigung verpflichtet. § 4 des Arbeitsvertrages enthalte einen antizipierten Vertrag zwischen den Parteien über den Ankauf der Betreuungsplätze. Diese Vereinbarung sei wirksam. Es sei nicht unzulässig, eine von der Arbeitnehmerin genutzte Betriebsausstattung an diese zu verkaufen. Die Beklagte habe nur vertragsgemäß beschäftigt werden können, nachdem in ihrem Hause eine Wohngruppe mit drei Plätzen eingerichtet und ausgestattet worden sei. Damit seien erhebliche Aufwendungen verbunden gewesen. Die Einrichtung und Unterhaltung von Wohngruppen erfordere zunächst eine entsprechende Genehmigung gemäß § 45 KJHG. Diese sei ihm, dem Kläger, antragsgemäß erteilt worden, nachdem er die dafür erforderlichen persönlichen und verwaltungsmäßigen Voraussetzungen habe nachweisen können. Die Klägerin habe zwar zum Betrieb der Wohngruppe eigene Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Der Mietzins und die Betriebskosten hierfür würden jedoch von ihm, dem Kläger, getragen. Vergleichbares gelte für die Ausstattung der Wohngruppe mit Möbeln und Betriebsmitteln. Auch die Kinder seien auf seine Kosten eingekleidet, verpflegt und mit Spielzeug und Lernmitteln ausgestattet worden. Die in den Wohngruppen zu betreuenden Kinder habe er, der Kläger, den Mitarbeiterinnen zugewiesen. Für die reine Betreuungstätigkeit ...