Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung einer kommunalen Werkdienstwohnung bei fortbestehen des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Kündigung des Mietverhältnisses einer Werkmietwohnung im laufenden Arbeitsverhältnis gelten die allgemeinen mietrechtlichen Vorschriften.
2. Ist dem Arbeitnehmer einer Werkdienstwohnung überlassen worden, richtet sich die Beendigung der Wohnraumüberlassung während des bestehenden Arbeitsverhältnisses nach arbeitsrechtlichen Bestimmungen; § 576b BGB findet nur Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist und der Arbeitnehmer die Werkdienstwohnung noch bewohnt.
3. Eine selbständige Aufkündigung des Nutzungsrechtes stellt eine Teilkündigung des Arbeitsverhältnisses dar, die unzulässig ist.
4. Die Entwidmung der Dienstwohnung durch Verfügung des Bürgermeisters der Klägerin mit der Folge der Umwandlung in eine Mietwohnung ist ein verwaltungsinterner Vorgang ohne Auswirkungen auf die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten der Parteien.
Normenkette
BGB §§ 535, 576b, 611 Abs. 1, § 611
Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 01.06.2011; Aktenzeichen 3 Ca 2547/10) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 01.06.2011 - 3 Ca 2547/10 - wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Beklagten wird insoweit zurückgewiesen, als sie erstinstanzlich verurteilt worden ist, an die Klägerin 342,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 01.06.2011 auf die Berufung der Beklagten wie folgt abgeändert:
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin zu 98 %, die Beklagte zu 2 % mit Ausnahme der Kosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts Schwelm entstanden sind. Diese werden der Klägerin auferlegt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin zu 97 %, die Beklagte zu 3 %.
Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Räumung der der Beklagten zur Verfügung gestellten Werkdienstwohnung, über ihre Ansprüche auf Herausgabe und Vernichtung von der Beklagten zur Verfügung gestellten Schlüssel sowie über ihre Ansprüche auf Nutzungsentschädigung.
Die Beklagte ist aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 27.05.1993 (Bl. 593, 594 d. A.) seit dem 01.06.1993 als Arbeiterin bei der Klägerin beschäftigt. Gemäß § 1 des Arbeitsvertrages betrug die vereinbarte Wochenarbeitszeit 21 Stunden und 20 Minuten. Gemäß § 2 richtete sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) und der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge - insbesondere des Bezirkszusatztarifvertrages (BZT-G/NRW) - in der jeweils geltenden Fassung. Seit dem 01.10.2005 findet der TVöD-VKA Anwendung.
Im Jahre 1993 trat der Ehemann der Beklagten ebenfalls in die Dienste der Klägerin. Er übernahm die Stelle eines Hausmeisters an der von der Klägerin getragenen Grundschule N1. Im Hinblick auf seine Tätigkeit als Hausmeister wies die Klägerin ihm die Dienstwohnung H1 Straße 12 in Schwelm zu.
Mit Wirkung zum 17.02.2003 übernahm der Ehemann der Beklagten Aufgaben im technischen Dienst des Jugendzentrums der Klägerin. Die Aufgaben des Hausmeisters für die Grundschule N1 wurden von dem Hausmeister der Grundschule L2 mitübernommen.
Mit Schreiben vom 13.02.2003 (Bl. 24, 25 d. A.) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie ihr mit Wirkung zum 17.02.2003 die Aufgaben einer Hauswartin für die Grundschule N1 übertragen und ihre Arbeitszeit um fünf Stunden erhöhen wolle. Gleichzeitig führte sie aus, ihr die Wohnung H1 Straße 12 als Dienstwohnung für die Dauer ihrer Beschäftigung als Hauswartin und Reinigungskraft zuweisen zu werden; sofern die Voraussetzungen für die Zuweisung nicht mehr gegeben sein sollten, werde ihr die Wohnung als Mietwohnung unbefristet überlassen, soweit das Gebäude noch als Schulgebäude genutzt werde; es ergehe noch ein gesonderter Bescheid.
Ebenfalls am 13.02.2003 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag (Bl. 614 d. A.), nach dessen § 1 die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Beklagten ausschließlich der Pausen durchschnittlich 25 Stunden und 44 Minuten betragen sollte.
Mit Schreiben vom 27.02.2003 (Bl. 610 d. A.) wies die Klägerin der Beklagten die Dienstwohnung H1 Straße 12 mit Wirkung zum 01.03.2003 zu, und zwar für die Dauer ihrer Beschäftigung als Hauswartin und Reinigungskraft für die Grundschule N1. Sie führte weiter aus, das Dienstwohnungsverhältnis bestimme sich nach den Vorschriften für Dienstwohnungen für Angestellte und Arbeiter des Landes Nordrhein-Westfalen (Dienstwohnungsvorschriften für Angestellte und Arbeiter (DWVA; Bl: 597 bis 599 d. A.) in Verbindung mit der Verordnung über die Dienstwohnungen für Beamte und Richter des Landes Nordrhein-Westfalen, Beamte der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie Beamte der...