Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den Nachweis der Diskriminierung einer Arbeitnehmerin aufgrund des Geschlechts
Leitsatz (redaktionell)
Eine Arbeitnehmerin genügt ihrer Darlegungslast hinsichtlich einer Diskriminierung gem. § 22 S. 1 AGG, wenn sie vorträgt, dass ihre Bewerbung um eine Stelle als "Buchhalterin mit abgeschlossener kaufmännischer Lehre" nicht berücksichtigt worden ist, weil sie Mutter eines sieben Jahre alten Kindes ist und darauf verweisen kann, dass die von dem Arbeitgeber zurückgereichten Bewerbungsunterlagen den handschriftlichen unterstrichenen Vermerk trugen "verheiratet, ein Kind, sieben Jahre alt".
Normenkette
AGG §§ 15, 7, 3, 22, 15 Abs. 2, § 3 Abs. 1 S. 1, § 22 Hs. 1
Verfahrensgang
ArbG Siegen (Entscheidung vom 22.01.2013; Aktenzeichen 1 Ca 907/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 22.01.2013 - 1 Ca 907/12 - teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.06.2012 zu zahlen.
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz und die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin und die Beklagte je zur Hälfte. Die Kosten der Revision trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Anspruch.
Die Klägerin ist 1974 geboren. Sie ist verheiratet und hat ein Kind. Sie verfügt über einen Abschluss als Verwaltungs- und Bürokauffrau. Der Abschluss ist von der IHK Koblenz am 09.06.1998 als Berufsausbildung zur Bürokauffrau anerkannt worden. Wegen weiterer Einzelheiten zur Person und zum beruflichen Werdegang der Klägerin wird auf den in Kopie vorgelegten Lebenslauf Bezug genommen (Bl. 91, 92 GA).
Die Beklagte betreibt einen lokalen Radiosender. Per Zeitungsanzeige vom 14.04.2012 suchte die Beklagte eine(n) "Buchhalter/-in" mit abgeschlossener kaufmännischer Lehre. Auf die Kopie der Anzeige wird Bezug genommen (Bl. 39 GA). Die Klägerin bewarb sich mit Anschreiben vom 14.04.2012 (Bl. 7 GA). Beigefügt war der bereits oben genannte Lebenslauf (Bl. 91, 92 GA). Mit Schreiben vom 02.05.2012 erteilte die Beklagte eine Absage und teilte mit, "dass wir von Ihrer Bewerbung keinen Gebrauch machen können, da wir uns für einen anderen Bewerber entschieden haben" (Bl. 8 GA). Beigefügt waren "zu unserer Entlastung" die Bewerbungsunterlagen. Auf dem zurückgesandten Lebenslauf fand die Klägerin neben der Textzeile "Verheiratet, ein Kind" den bei der Beklagten handschriftlich angebrachten Vermerk vor: "7 Jahre alt!", die so entstehende Wortfolge "ein Kind, 7 Jahre alt!" ist durchgängig unterstrichen worden (Kopie Bl. 38 GA).
Mit Schreiben vom 06.06.2012 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten eine Entschädigung wegen Verstoßes gegen das AGG geltend. Die Beklagte antwortete unter dem 21.06.2012 ablehnend. Die Nichtberücksichtigung der Klägerin habe nichts mit dem Geschlecht, dem Familienstand oder der Unterhaltsberechtigung [sic] zu tun, es seien ausschließlich die Qualifikationen gewesen, die zur Einstellung einer Mitbewerberin geführt hätten.
Die Klage auf Zahlung einer Entschädigung von 3.000,00 € ist am 23.07.2012 bei dem Arbeitsgericht eingegangen und der Beklagten am 01.08.2012 zugestellt worden. Der Antrag der Klageschrift lautet: "... die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.000,00 € nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszins seit dem 21.06.2012 zu zahlen". In der Klagebegründung führt die Klägerin aus, ihr stehe eine angemessene Entschädigung zu; sie mache "gegenwärtig einen Anspruch von insgesamt 3.000,00 € geltend" (Bl. 2 GA).
Die Beklagte gibt an, sie habe Frau X eingestellt, eine junge Frau, die das Abitur habe, Ausbildungen zur Bankkauffrau und zur Steuerfachangestellten absolviert habe, zuletzt in einer größeren namhaften S Steuerberater- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Steuerfachangestellte gearbeitet habe und seit mehreren Monaten an einer Weiterbildungsmaßnahme zur Bilanzbuchhalterin teilnehme.
Im September 2012 teilte die Beklagte mit, dass sich das Bruttomonatsentgelt der besetzten Stelle auf 2.027,00 € beläuft. Mit Schriftsatz vom 04.10.2012 ist die Klageforderung dann auf 6.081,00 € erweitert worden (=3 x 2027,00 € / Bl. 32 - 37 GA).
Die Klägerin hat vorgetragen, aufgrund des handschriftlich von der Beklagten auf ihrem Lebenslauf angebrachten Vermerks müsse sie davon ausgehen, dass sie aufgrund des Umstandes, dass sie ein siebenjähriges Kind (zu betreuen) habe, nicht eingestellt worden sei. Der handschriftliche Vermerk begründe ein Indiz für eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG wegen ihrer Mutterschaft. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass sie im Lebenslauf das Alter ihres Kindes gar nicht angegeben habe, sondern die Beklagte dies sich selbst aus den Bewerbungsunterlagen heraus errechnet habe. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei allein das Alter ei...