Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungsvorbehalt. Aufstiegsprämie. AGB-Kontrolle. Annahmeverzug. Aushandeln. Ausschlussfrist. Besonderheiten des Arbeitsrechts. Darlegungslast. Dienstwagen. Einflussnahme. ergänzende Vertragsauslegung. Freistellung. Fußballtrainer. geldwerter Vorteil. geltungserhaltende Reduktion. Haftungsausschluss. Haftungsbegrenzung. Punktprämie. Teilunwirksamkeit. Trainer. Urlaubsabgeltung. Urlaubserteilung. Verbrauchervertrag. vereinbarte Vergütung. Vorsatzhaftung. Widerrufsvorbehalt
Leitsatz (amtlich)
1. Auch der Arbeitsvertrag des Cheftrainers eines Profifußballvereins unterliegt ganz oder in einzelnen Bestimmungen der AGB-Kontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB, wenn der Verein nicht substanziiert darlegt, dass der Vertrag oder die streitige Bestimmung im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ausgehandelt wurde bzw. der Trainer – entgegen dessen konkreten Vortrag – auf den Inhalt der Bestimmungen trotz ihrer Vorformulierung Einfluss im Sinne des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB nehmen konnte.
2. Eine Punktprämie, welche für jeden Meisterschaftspunkt, der unter der tatsächlichen Mitwirkung als Cheftrainer erzielt wird, die Zahlung eines bestimmten Betrages vorsieht, ist bei einer Freistellung des Trainers als Bestandteil der als Gegenleistung für die Arbeitsleistung vereinbarten Vergütung gemäß § 615 Satz 1 BGB fortzuzahlen.
3. Der vertraglich vereinbarte Wegfall der Punktprämie im Falle einer Freistellung verstößt gegen § 308 Nr. 4 BGB, wenn
- der Anteil der wegfallenden Punktprämie an der Gesamtvergütung mehr als 25% betragen kann oder
- der Wegfall bei jeder Freistellung auch ohne Sachgrund erfolgen soll.
4. Letzteres gilt gemäß § 308 Nr. 4 BGB auch für Bestimmungen, die die Herausgabe eines Dienstwagens oder die zeitanteilige Kürzung einer Aufstiegsprämie im Falle der Freistellung des Trainers vorsehen.
5. Eine einzelvertragliche, der AGB-Kontrolle unterliegende Ausschlussfrist, die für die „beiderseitigen Ansprüche aus diesem Vertrag” gelten soll, erfasst auch Ansprüche aus der Haftung wegen Vorsatzes sowie für Schäden, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit oder grober Fahrlässigkeit beruhen.
6. Eine solche Ausschlussfrist ist unwirksam.
- Sie verstößt gegen § 202 Abs. 1 BGB und ist deswegen gemäß § 134 BGB, § 306 BGB insgesamt unwirksam; § 139 BGB findet keine Anwendung (entgegen BAG, 25. Mai 2005, 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; 28. September 2005, 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149)
- Sie stellt eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dar, denn sie weicht von wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts, wie sie in § 202 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommen, in nicht zu vereinbarender Weise ab. Daraus ergibt sich zugleich ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
- Sie verstößt gegen § 309 Nr. 7 BGB, denn eine Verkürzung der Verjährungsfristen stellt einen Haftungsausschluss bzw. eine Haftungsbegrenzung im Sinne dieser Vorschrift dar (im Anschluss an BGH, 15. November 2006, VIII ZR 3/06, NJW 2007, 674; 26. Februar 2009, Xa ZR 141/07, NJW 2009, 1486; entgegen BAG, 25. Mai 2005, 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; 28. September 2005, 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149).
7. In einer bloßen Freistellung liegt keine konkludente Urlaubsgewährung.
8. Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer den Urlaub während der Freistellungszeit zu gewähren und ihm die zeitliche Konkretisierung zu überlassen. Deswegen besteht keine Pflicht des Arbeitnehmers, sich um die Gewährung von Urlaub zu bemühen (entgegen LAG Nürnberg, 29. August 2006, 7 Sa 676/05, LAGE BUrlG § 7 Nr. 44).
Normenkette
BGB §§ 139, 202 Abs. 1, § 293 ff., §§ 305, 305c Abs. 2, §§ 306-307, 308 Nr. 4, § 309 Nr. 7, § 310 Abs. 3, 4 S. 2, § 615 S. 1; BUrlG § 7 Abs. 1, 4; TVG § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Paderborn (Urteil vom 25.02.2011; Aktenzeichen 3 Ca 1633/10) |
Tenor
Auf die Berufungen der Parteien wird unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Berufungen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 25. Februar 2011 (3 Ca 1633/10) abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 131.873,14 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 125.873,14 Euro seit dem 27. August 2010 sowie aus 6.000,00 Euro seit dem 27. Oktober 2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 9,4%, der Beklagte zu 90,6%. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 5,5%, der Beklagte zu 94,5%.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Entgeltansprüche des Klägers für den Zeitraum seiner Freistellung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses sowie über Ansprüche auf Urlaubsabgeltung und Schadensersatz.
Der Kläger war in der Zeit von 1995 bis 2002 als Spieler und danach von 2003 bis 2005 als Trainer für den Beklagten tätig gewesen. Zuletzt war er ab dem 9. Februar 2008 bei dem Beklagten als Cheftrainer der Fußballli...